Brother Sister - Hoert uns einfach zu
Bettdecke lag zusammengeknüllt an der Wand, was bedeutete, dass sie einen Teil der Nacht dort verbracht hatte.
Ich schloss auch ihre Tür und hoffte, dass es noch nicht zu spät war. Ich kannte Keiths Denkweise und wusste, dass er sofort die schlimmsten Schlüsse ziehen würde, wenn er mitkriegte, dass Ash in meinem Zimmer schlief. So ist er nun mal. Er hätte sich ums Verrecken nicht vorstellen können, dass wir einfach nur geschlafen hatten. Stattdessen würde er daran denken, was er mit ihr machen würde, wenn sie in seinem Bett läge.
Ich ging weiter die Treppe runter und knotete das Band meiner Flanellhose zu. Dann setzte ich mich auf die vorletzte Stufe, dort wo die Treppe auf den offenen Raum zwischen Küchen- und Wohnzimmerbereich trifft.
Inzwischen war Keith wieder in der Küche. Die Spülmaschine stand offen, und er sammelte Gläser ein, um sie reinzustellen.
»Was soll das werden?«, fragte ich. »Großer Hausputz?«
Keith sah aus, als wollte er auf eine Wanderung gehen. Er trug ausgewaschene Shorts, Arbeitsstiefel und ein offenes blaues Arbeitshemd über einem seiner schlabbrigen T-Shirts.
»Ich wollte nur mal nach dem Rechten sehen«, sagte er.
»Ich hab dir doch gesagt, dass das nicht nötig ist.«
»Ja, aber du bist erst siebzehn und ich bin fünfunddreißig.«
»Was willst du damit sagen?«
»Dass ich besser weiß als du, was hier zu tun ist.«
Dann murmelte er irgendwas vor sich hin, und ich verzichtete auf die ätzende Bemerkung, die mir auf der Zunge lag. Es wäre nicht besonders schlau gewesen, gerade jetzt einen Streit mit ihm vom Zaun zu brechen. Es war besser, höflich zu bleiben und ihn so schnell wie möglich wieder loszuwerden.
»Wie lange bist du schon hier?«, fragte ich.
»Ach, halbes Stündchen vielleicht. Ich brauchte meine Arbeitshandschuhe. Ich hab nen Job für ’n paar Tage, in Larkspur. So ’n Typ will sich ne Dachterrasse bauen.«
Arbeitshandschuhe. Dann hatte er also im Schuppen rumgekramt. Wo ich das Fahrrad versteckt hatte. Ich musste rauskriegen, ob er es gesehen hatte. Natürlich konnte ich ihn nicht direkt danach fragen, aber ich wollte es wissen.
»Um deine Arbeitshandschuhe zu holen, brauchst du aber nicht ins Haus zu kommen. Warum gehst du nicht gleich in den Schuppen und …«
»Ich hab sie schon.« Er zog ein Paar steife gelbe Lederhandschuhe aus einer Shortstasche. »Aber ich dachte, wenn ich schon mal hier bin, mach ich euch Frühstück. Eier mit Speck. Außerdem wollt ich mal sehen, was ihr so treibt.«
Einen dreckigen Kaffeebecher in der Hand blieb er stehen und sah mich an, als wollte er sagen: Ich weiß, dass hier irgendwas nicht stimmt, Will! Aber vielleicht bildete ich mir das auch bloß ein. Es war schon immer unmöglich gewesen, ihm anzusehen, was er gerade dachte, weil seine riesigen Brillengläser seinen Gesichtsausdruck verfälschen.
»Erzähl!«, sagte er. »Was gibt’s?«
»Offenbar keine Eier mit Speck.«
»Nur die Ruhe!« Keith zeigte auf das schmutzige Geschirr, das überall in der Küche rumstand. »Eins nach dem anderen.«
Ich saß da, beobachtete ihn und wartete darauf, dass er nach dem Fahrrad fragte. Craigs Fahrrad, das ich im Schuppen versteckt hatte. Mir eine plausible Erklärung dafür auszudenken, warum es da stand, war nicht das Problem. Das Problem war, dass nicht allzu viele Hinweise darauf auftauchen durften, was tatsächlich passiert war. Die Lügen, mit denen ich sie wegerklärte, würden sich sonst gegenseitig widersprechen.
Aber er fragte nicht nach dem Rad. Als er das Spülmittel einfüllte und die Maschine anstellte, fragte er nur: »Dann also Eier mit Speck?«
»Wenn du meinst«, sagte ich. »Ist aber nicht so wichtig. Musst du nicht zur Arbeit?«
»Erst um halb neun«, sagte er. »Ich hab noch genug Zeit, um euch was Vernünftiges zu essen zu machen.«
Ich nickte.
»Rührei mit Knoblauch und Käse? So magst du’s doch am liebsten, nicht?«
»Genau.«
»Okay. Rührei mit Speck für eine Person. Sehr wohl, der Herr.« Keith ist am unerträglichsten, wenn er leutselig wird und den Familienvater spielt. »Wo steckt eigentlich Asheley?«, fragte er.
Aha. Jetzt kam’s also. »Wo wohl?«, fragte ich zurück.
»Sie ist nicht da.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich hab in ihr Zimmer geguckt.«
»In meins auch?«
»Nein, deine Tür war zu. Außerdem ist Asheley mein kleines Mädchen. Sie weiß es zu schätzen, wenn man sich um sie kümmert. Wenn ich dagegen ungefragt dein Zimmer betrete, könnte es
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