Brother Sister - Hoert uns einfach zu
Albträume! Nonstop verfolgten sie ihn. Aber er hat mir nie gesagt, wovon sie handelten. »Schlimme Erinnerungen«, sagte er nur. Aber sie müssen grauenvoll gewesen sein. Wenn sie ihn quälten, wimmerte er und schnappte nach Luft, und manchmal brüllte er das ganze Haus zusammen. Ich ging dann zu ihm und beruhigte ihn.
Das Einzige, was half, war, ihn festzuhalten und wie ein Baby zu wiegen, bis er wieder einschlief.
Dabei bin ich meist auch eingeschlafen. Ja, in seinem Bett. Er war ein Wrack. Genauso fertig wegen der Sache mit Craig wie ich. Wir haben uns gegenseitig geholfen. Ich wollte verhindern, dass er endgültig durchdreht.
Will
Obwohl ich Asheley hatte, bin ich alle paar Stunden zitternd aufgewacht. Dann lag ich mit offenen Augen da und starrte auf die Sachen, die mir wichtig waren. Ich hatte mein ganzes Zimmer damit ausgestattet. Sachen, die mich daran erinnern sollten, wer ich war. Nur dass sie jetzt jemand anders zu gehören schienen. Posters von Phil Mickelson und gerahmte Fotos von mir, wie ich als kleiner Junge stolz grinsend einen Golfschläger schwinge und so. Dann Comichefte, in Schutzfolie eingeschlagen, und natürlich der Pokal, den ich vor … wann war das? … vor drei Wochen gewonnen hatte. Sogar der schien mir nicht mehr zu gehören. Ich war jemand anders geworden, aber ich hatte keine Ahnung, wer dieser andere war.
Auf dem Regal über meinem Schreibtisch steht eine dieser Figuren, die in Mexiko am Tag der Toten benutzt werden. Ein billiges kleines Ding aus Papier, mit Wachs überzogen. Es soll einen Farmer darstellen, ist aber nur ein Skelett mit Poncho und riesigem Sombrero. Man erkennt ihn daran, dass er eine Holzkiste voller Peperoni in den Händen hält. Sein Kopf ist ein lachender Totenschädel mit leuchtend gelben Augen. Sein Kinn hängt locker runter, sodass er ein irres Grinsen im Gesicht hat. Wenn ich wach lag und grübelte, starrte ich immer diese Figur an, den offenen Mund. Am liebsten wär ich da reingekrochen.
Hauptsächlich hab ich über Ash nachgedacht. Seit das mit Craig passiert war, war sie … wie unter Schock. Sie konnte nicht gut allein sein, deswegen schlief sie manchmal in meinem Zimmer. Dann lag sie neben mir im Bett, machte sich breit und strampelte mit den Beinen. Meist hatte sie den Mund leicht geöffnet und machte merkwürdige Geräusche. Es hörte sich fast an, als ob sie schnurrte. Manchmal wischte sie sich mit der Hand über die Nase und befeuchtete sich die Lippen mit der Zunge, alles im Schlaf. Es war … wie soll ich sagen? Jedenfalls ging mir dieser Anblick mehr zu Herzen als alles andere, was ich je gesehen hatte. Sie schlief sehr unruhig und bewegte sich viel, sodass sie dann irgendwann immer komplett in die Bettdecke eingewickelt war und auf meiner Seite lag. Ich musste mich an den Rand quetschen und so dünn wie möglich machen. Ich wollte sie ja nicht berühren, sonst wäre sie vielleicht aufgewacht oder hätte einen falschen Eindruck bekommen.
Es war ein beruhigendes Gefühl, sie da zu haben. Ich merkte gar nicht, dass ich wieder einschlief, aber oft wachte ich dann erst mittags wieder auf.
Ich weiß, dass Sie danach nicht gefragt haben, aber es gehört dazu. Wenn Sie das andere verstehen wollen, muss ich auch davon sprechen. Worin der Zusammenhang genau besteht, weiß ich selbst nicht. Soll ich trotzdem weitermachen?
Also gut. Eines Morgens, als Ash bei mir im Bett schlief, wachte ich von einem Geräusch in der Küche auf. Jemand machte sich da unten zu schaffen. Mein erster Gedanke war: die Bullen! Deswegen bin ich sofort aufgestanden. Dann merkte ich, dass die Geräusche nicht bedrohlich klangen. Das waren keine Leute, die alles hektisch durchsuchten und auseinandernahmen. Wer immer da unten war, bewegte sich langsam und leise. Eigentlich klang es nach ganz normalen Küchengeräuschen. Aber es war erst sieben Uhr, und ich dachte: Wenn sie kommen, um mich zu verhaften, machen sie’s bestimmt früh am Morgen, damit die Story noch am selben Tag in die Nachrichten kommt.
Aber es war natürlich nur Keith. Ich schaute vom Treppengeländer runter und sah, wie er das Wohnzimmer aufräumte.
Ich schloss meine Zimmertür, damit Asheley weiterschlafen konnte, und ging nach unten. Ganz leise. Er sollte mich nicht bemerken, bevor ich unten war. Und ich wollte auch nicht, dass er überall herumschnüffelte und Ash in meinem Bett fand. Als ich auf der Ebene war, auf der ihr Zimmer liegt, sah ich kurz rein, um zu checken, wie aufgeräumt es war. Ihre
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