Brother Sister - Hoert uns einfach zu
sein, dass du eine Kanone auf mich richtest.«
»Haha!«
»Also, wo steckt sie? Bumst sie ihren Surferfreund?«
Keith war mit der Bratpfanne und den Speckscheiben beschäftigt. Er stand mit dem Rücken zu mir. Ich konnte nur hoffen und beten, dass er Craig nicht nur deshalb ins Gespräch brachte, weil er mich aufs Glatteis führen wollte.
»Na klar.«
Er kicherte. »Würd ich an seiner Stelle genauso machen.«
»Craig. Sein Name ist Craig. Aber sie ›bumst‹ ihn nicht. Sie übernachtet bei ihrer Freundin Naomi«, sagte ich. Das war eine ungefährliche Behauptung, weil Keith sie nicht überprüfen konnte. Er kannte Naomi gar nicht.
»Und das glaubst du ihr?«, fragte Keith und drehte sich grinsend zu mir um. »Bestimmt ist sie bei ihrem Freund und lässt es sich ordentlich besorgen.«
»Blödsinn. Ash ist vernünftig«, murmelte ich.
Das war’s auch schon. Keith machte mir Frühstück, dann ging er. Ich brauchte nur noch zu überlegen, ob ich überhaupt Hunger hatte.
Natürlich war ich erleichtert, als er wieder weg war.
Abgesehen davon war ich von mir selbst überrascht. Ich war völlig cool geblieben. Vielleicht hatte ich die Phase hinter mir, wo ich alle zwei Sekunden einem Nervenzusammenbruch nahe war.
Am liebsten wäre ich gleich wieder nach oben gegangen und hätte mich zu Asheley ins Bett gelegt. Ganz eng, in Löffelchenstellung. Kuscheln und vielleicht noch mal einschlafen. Aber das war mir zu gefährlich. Es wäre zu viel gewesen, zu früh – und irgendwie nicht richtig.
Außerdem sagte ich ja schon, dass sie keinen falschen Eindruck kriegen sollte.
Asheley
Am Freitagabend kam Naomi uns überraschend besuchen. Sie hatte das Bündchen ihrer Jogginghose bis zum Gehtnichtmehr runtergezogen und die Haare mit Klemmen aus dem relativ dezent geschminkten Gesicht frisiert. Ihr Look war bis ins Kleinste durchdacht und auf lässig, sportlich, natürlich und »rein zufällig« supersexy gestylt.
Um ein Haar wär ich in Tränen ausgebrochen, als ich die Tür aufmachte und sah, dass sie es war. Es war so schön, mal wieder jemand anders als Will um mich zu haben.
Sie winkte mir albern zu, fast ein bisschen verschämt, blinzelte über meine Schulter und rief ins Haus: »Hallo, Superstar! Ich bin tatsächlich gekommen.«
Will und ich hatten den ganzen Nachmittag mit einem Konsolenspiel verbracht, Halo . Das heißt, er hatte gespielt und ich zugeschaut, wie er durch diese gespenstische, ausgebombte Welt raste, seinen Gegner, der … ich glaube … in Thailand saß, online verfolgte und immer, immer, immer wieder umbrachte und dabei den unglaublichsten Müll in sein Headset brabbelte. Er fand das entspannend, auch weil ich zusammengerollt auf dem Sofa neben ihm lag. Solange nur wir beide im Haus waren, hatte ich kaum noch Angst, und ich konnte fast so tun, als sei alles wieder normal und würde gut ausgehen.
Als Naomi jetzt bei uns auftauchte, fragte ich mich, ob das Schlimmste tatsächlich vorbei war und sich das Leben wieder normalisieren würde.
Will saß immer noch auf dem Sofa und spielte, als er kurz zur Tür rüberschaute und Naomi zuwinkte.
»Hat ja lang genug gedauert«, sagte er.
»Besser spät als nie.«
Naomi stellte ihre überdimensionale silberne Schultertasche auf den Fußboden und fläzte sich neben Will aufs Sofa.
»Hey«, sagte sie und klopfte Will auf die Schulter.
»Hey«, sagte er.
Eigentlich war es süß, dass er ganz rot wurde, aber irgendwie auch traurig. Ich hatte das Gefühl, dass ich ihn beschützen müsste.
Er spielte weiter. Naomi und ich sahen ihm zu und wussten nicht recht, wie wir uns unterhalten sollten. Dann fragte sie nach Craig und sagte Sachen wie: »Ist er wieder zurück? Du willst dich doch mit ihm versöhnen, oder? Hast du schon was von ihm gehört? Wahrscheinlich ist er längst zurück und wagt nicht, sich bei dir zu melden. Hast du wirklich noch nichts von ihm gehört? Du musst ihn schrecklich vermissen. Jedenfalls würde es mir so gehen. Warum gehst du nicht einfach zu ihm, jetzt gleich, und überraschst ihn? Was meinst du, wie er wohl reagiert? Findest du nicht, dass es eine gute Idee ist, Will?«
»Nein«, sagte er. Einfach so. Schroff und direkt. Ohne sein Spiel aus den Augen zu lassen.
»Können wir nicht lieber von was anderem reden?«, sagte ich.
»Ist es so schmerzhaft für dich?«, fragte Naomi. Sie stand auf und ging näher zu Will. »Früher oder später musst du ihn aber wiedersehen. Gesetzt den Fall, du willst dich wirklich mit ihm
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