Brown, Dale - Feuerflug
begann die Reise. Dass Thorn nie Urlaub machte, sich selten auf seinem Landsitz Camp David aufhielt, nie Sport trieb und keine Hobbys hatte, lag daran, dass er täglich zweimal »Urlaub« machte, wenn er das transzendente Stadium erreichte. Die Ankunft auf dieser Ebene erschien ihm jedes Mal so, als steige er aus einem überschallschnellen Flugzeug und betrete völliges Neuland.
Aber diesmal war die Reise anders. Statt selbst in eine andere Welt, Dimension oder Zeit zu gelangen, war er diesmal ein Zuschauer, der Ereignisse beobachtete. Das war ungewöhnlich – sicher nicht unmöglich oder nie da gewesen, denn die Seele kennt weder Anfang noch Ende –, aber weshalb konnte er nicht auch erleben, was er beobachtete?
Er schrak hoch – ebenfalls ein ungewöhnliches Vorkommnis. Nach einem Blick auf die Uhr stellte er erleichtert fest, dass seine Meditation wie beabsichtigt fast genau zwanzig Minuten gedauert hatte. Weshalb war ihm dann so eigenartig zumute?
Thomas Thorn wusste, woher dieses Gefühl kam – er hatte es schon lange, seit dem türkisch-ukrainisch-russischen Konflikt über dem Schwarzen Meer, seit dem Angriff auf Pawel Kasakows Stützpunkt in Rumänien. Er wusste genau, was sich ereignete.
»Patrick«, sagte er.
Kattara-Senke, einundfünfzig Kilometer südwestlich von Marsá Matrũh Zur gleichen Zeit
Die beiden gestohlenen Halbkettenfahrzeuge hatten kein Benzin und die Männer keine Energie mehr. Patrick und die überlebenden Night Stalkers hatten zwischen einer weiteren Gruppe von Bohrtürmen Schutz gesucht; diese Ölquellen schienen nicht versiegt, sondern durch Luftangriffe verschüttet zu sein. Sie boten nur wenig Deckung, und Chris Wohl ließ die Männer im glühend heißen Sand Schützenlöcher ausheben, damit sie unsichtbar waren, während sie auf Rettung warteten.
Sie waren alle erschöpft: körperlich, geistig und emotional. Patrick schilderte ihnen die Detonation über Marsá Matrũh. Sie waren von der Außenwelt abgeschnitten, denn der elektromagnetische Impuls (EMI) der Kernwaffendetonation hatte die Atmosphäre so stark elektrisiert, dass alle Satellitenverbindungen unterbrochen waren ...
»Patrick.«
Also doch nicht abgeschnitten – ihre subkutanen Satellitensender funktionierten offenbar wieder.
Er erkannte die Stimme natürlich sofort, und seine Reaktion kam ebenfalls sofort: »Thorn an Patrick: beenden.« Und die Stimme verstummte.
Nur dadurch waren Patrick und die anderen Night Stalkers während ihrer ersten Einsätze im vergangenen Jahr davor bewahrt geblieben, im Gefängnis zu landen: Sie waren weiterhin in das System eingebunden, dessen subkutane Minisender ihnen eingepflanzt worden waren, als sie noch im High Technology Aerospace Weapons Center der U.S. Air Force in Nevada gearbeitet hatten. Und der Präsident der Vereinigten Staaten hatte sich ebenfalls einen einpflanzen lassen: einen winzigen drahtlosen Biosender von der Größe einer Niete, der in eine Schulter geschossen und von einem als Knöchelband getragenen Radioisotop als Energiequelle mit Strom versorgt wurde. Dieser Satellitensender ermöglichte globale Kommunikation, Ortung, Überwachung von Lebensfunktionen und Datenübertragung, obwohl der Nutzer einzelne Funktionen willkürlich ausschalten konnte. Dies war das erste Mal, dass der Präsident der Vereinigten Staaten seinen Sender aktiviert hatte – was Patrick völlig verblüffte. Noch verblüffter war er jedoch, als er hörte: »Patrick. Reden Sie mit mir.« Obwohl Patrick den Satellitenserver angewiesen hatte, die Verbindung zu Thorn zu beenden, kam er weiter durch!
»Was gibt’s, Mr. President?«, fragte Patrick schließlich.
»Das mit Paul tut mir Leid«, sagte Thorn. Die Tonqualität war miserabel; trotzdem war die echte Gemütsbewegung in der Stimme des Präsidenten unüberhörbar. »Ich weiß, dass Sie ihn geliebt und darunter gelitten haben, ihn mit in den Kampf nehmen zu müssen.«
Patrick erkannte die subtile Fragestellung sofort – Thorn war auf der Jagd nach Informationen –, aber er hatte im Augenblick nicht die Kraft, einem Verhör zu widerstehen. »Irgendjemand musste eingreifen und die Libyer stoppen«, antwortete er. »Sie hätten es nicht getan.«
»Was ist sonst noch passiert, Patrick?«, fragte Thorn. »Warum sind Sie nicht mit Ihrem Bruder heimgekehrt?« Keine Antwort. Der Präsident kniff die Augen zusammen, dachte angestrengt nach – dann weiteten seine Augen sich vor Entsetzen. »Großer Gott, nicht Wendy. Ist sie nach dem
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