Brown, Dale - Feuerflug
überlegte kurz. Eigentlich durfte er keinem Menschen trauen, erst recht keinem Libyer, aber Muhammad as-Senussi war eine Ausnahme. Das hoffte er zumindest.
»Ja, ich habe Anweisungen für Sie«, sagte Patrick. »Peilen Sie meinen Standort an – hier finden Sie eine über zweitausend Meter lange Piste. Wir haben Treibstoff, möglicherweise Waffen, beschränkte Wartungsmöglichkeiten.« Nun folgte eine Pause von einigen Sekunden, während die Besatzung der Megafortress seinen Standort ermittelte. »Äh ... können Sie Ihren Standort bestätigen, Sir?«, fragte Ta naka zögernd.
»Mein Standort ist Jaghbũb, Libyen.«
»Und Sie sind dort sicher?«
»Positiv.«
»Dann können Sie mir bestimmt den Spitznamen des Stützpunkts sagen, von dem aus wir gestartet sind.«
Obwohl ihr Gespräch über eine abhörsichere Satellitenverbindung lief, war Patrick befriedigt darüber, dass der Besatzung der Megafortress ein Codewort eingefallen war, das nur wenige Leute gekannt hätten. Wäre er mit vorgehaltener Waffe erpresst worden, hätte er sich einen falschen Spitznamen ausdenken können, ohne Verdacht zu erregen.
»Hooterville«, antwortete Patrick, was der Spitzname war, den B-52-Besatzungen der früheren Blytheville Air Force Base im ländlichen Nordosten von Arkansas gegeben hatten. »Verstanden, Zinnsoldat«, bestätigte Tanaka erleichtert. »Wir sind unterwegs.«
Patrick wandte sich an Muhammad as-Senussi und streckte ihm die Rechte hin. »Abgemacht, Majestät«, sagte er. »Mein erstes Flugzeug kommt in wenigen Minuten.«
Als Senussi einige knappe Befehle erteilte, rasten die meisten seiner Männer mit ihren Fahrzeugen auf den Flugplatz hinaus.
»Meine Leute räumen die Landebahn, einen der Rollwege und den unzerstört gebliebenen Shelter für Ihre Maschine«, sagte er.
Er schüttelte Patricks gepanzerte Hand. »Willkommen in Jaghbũb im Vereinigten Königreich Libyen. Ahlan wa sahlan, es salam alai-kum. Sie sind herzlich willkommen.«
Er betrachtete Patricks Hand und berührte staunend das seltsame BERP-Gewebe und das Exoskelett aus Faserstahl. »Von denen muss ich mir auch ein paar besorgen!«, rief er begeistert aus.
Hũn, Vereinigtes Königreich Libyen Einige Stunden später
Kurz nach den amerikanischen Luftangriffen des Jahres 1986 hatte Oberst Muammar Gaddhafi, der damalige libysche Diktator, unter den Straßen der Kleinstadt Hũn einen Ginajna – »Garten« – genannten Komplex anlegen lassen. Ginajna bestand aus einem mehrere Dutzend Quadratkilometer großen Labyrinth aus Tunnel, Bunkern, Kommandozentralen und Vorratslagern. Trotz seiner Größe war jeder Punkt Ginajnas vom Zentrum aus innerhalb einer Stunde zu Fuß erreichbar. Bei voller Besatzung – wie in diesen Tagen – lebten und arbeiteten in Ginajna über dreißigtausend Menschen.
Der Komplex – fünf Stockwerke unter der Erde, durch sechs Lagen Kevlar und Stahl geschützt, mit eigener Stromversorgung und Klimaanlage – sollte Gaddhafi und seiner persönlichen Leibwache Zuflucht bieten, falls es zu neuen schweren Luftangriffen kam. Angeblich würde er in Ginajna sogar den Jüngsten Tag überleben können – und weil das dort eingesetzte Personal mehrheitlich aus Frauen bestand, hieß es gerüchteweise, Gaddhafi wolle Libyen notfalls mit dem Personal aus Ginajna wieder bevölkern.
Jadallah Zuwayy betrachtete Ginajna als seine Hauptresidenz. Anderswo zu residieren, wäre verrückt gewesen. Hier war seine Sicherheit garantiert, die allermeisten Bomben und Lenkwaffen konnten ihm nichts anhaben – nach allgemeiner Überzeugung wäre der Komplex nur durch einen direkten Atombombentreffer zu vernichten gewesen –, und es gab reichlich Fluchtwege. Gewiss, er hauste hier wie eine Ratte – aber er war lieber eine lebende Ratte als ein toter König.
Ginajna war in Abschnitte aufgeteilt, die den jeweiligen Teilstreitkräften unterstanden, aber Zuwayy hielt sich fast nur in dem Abschnitt auf, der für das Oberkommando der Revolutionsgarde reserviert war. Die Revolutionsgarde war Zuwayys Leibwache: fünftausend Männer und Frauen mit den besten Waffen und der besten Ausbildung aller libyschen Truppenteile. Kernstück der Revolutionsgarde waren die Prätorianer, die nicht für den Schutz der Wohn- und Amtsräume des Königs, sondern für Zuwayys persönliche Sicherheit verantwortlich waren.
Die Prätorianer waren die einzige libysche Einheit, der Zuwayy in Bezug auf diese spezielle Gruppe traute: dreizehn Männer und eine Frau – die letzten
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