Brown, Dale - Feuerflug
noch lebenden Schiffbrüchigen, die libysche Kriegsschiffe nach den Angriffen auf die Schiffe, die verdächtigt wurden, die Operationsbasis für den Überfall auf den Raketenstützpunkt Samãh gewesen zu sein, aus dem Mittelmeer geborgen hatten. Vom Gros der Schiffbrüchigen waren sie nur aus einem Grund getrennt worden: Sie schienen nach Aussehen, Sprache oder Benehmen Amerikaner zu sein. Und von der gesamten Gruppe war niemand wichtiger und geheimnisvoller als die Frau.
Sie hing nackt an Handschellen, die mit Schrauben an einer Betonwand befestigt waren. Ihre Kräfte waren längst erschöpft – sie konnte sich nur noch minutenlang auf den Beinen halten, sodass ihre blutig aufgeschürften Handgelenke schwarz verfärbt waren. Ihr Haar war dünn und fiel aus, weil ihr ausgemergelter Körper dehydriert war; ihre Rippen traten so deutlich hervor, als könnten sie im nächsten Augenblick die Haut durchstoßen.
Sie muss mal sehr hübsch gewesen sein, sagte Zuwayy sich. Jetzt ist sie’s nicht mehr.
Als Zuwayy die Zelle betrat, machte der Wärter Licht. Der Lichtschein der einzelnen Glühbirne bohrte sich wie ein rot glühendes Schüreisen in die Augen der Frau, aber sie konnte sie nicht bedecken. »Irgendwas Neues, Sergeant?«, fragte Zuwayy.
»Nein, Euer Hoheit«, meldete der Gefängniswärter. »Ihre Antwort auf alle Fragen ist: ›Bitte helfen Sie mir.‹ Keine Namen, keine Informationen.«
Zuwayy betrachtete sie genauer. Die Vernehmungsoffiziere hatten jede bekannte Kombination aus körperlicher Folter, Drogen, Entzugsmaßnahmen und Desorientierung angewandt, um sie zum Reden zu bringen. »Eine sehr starke, sehr zähe junge Frau«, sagte er. Zu seiner Überraschung öffnete sie die Augen und richtete sich unsicher schwankend auf. »Ah, wie ich sehe, sind Sie wach. Wie fühlen Sie sich heute, Miss?«
»Bitte helfen Sie mir«, murmelte sie mit geschwollenen, aufgeplatzten Lippen. »Bitte, Sir, helfen Sie mir.«
»Ich helfe Ihnen gern«, antwortete Zuwayy. »Sie brauchen mir nur Ihren Namen zu sagen.«
»Helfen Sie mir. Bitte.«
»Weiterer Widerstand ist zwecklos«, sagte Zuwayy. »Ihre Kameraden haben uns alles über Sie erzählt. Sie waren maßgeblich daran beteiligt, dass ein Kommandoteam einen libyschen Stützpunkt überfallen und sich danach mit einem Hubschrauber zu Ihrem Schiff absetzen konnte. Wir wissen alles. Wir wissen, dass ihr Amerikaner seid und den Geheimauftrag hattet, unsere Raketen zu inspizieren und notfalls zu zerstören. Sie können ebenso gut reden. Tun Sie das, behandeln wir Sie nicht als Spionin, sondern als Kombattantin, die unter dem Schutz der Genfer Konvention steht. Wissen Sie, was das für Sie bedeutet?«
»Bitte, Euer Hoheit ... bitte helfen Sie mir, ich flehe Sie an ...«
»Ah, Sie erkennen mich also? Ausgezeichnet! Ich garantiere Ihnen eine weit bessere Behandlung, wie sie jedem Kriegsgefangenen zusteht – Essen, Wasser, Kleidung, medizinische Behandlung und Kontakt mit dem Internationalen Roten Kreuz.«
»Bitte ... Helfen Sie mir ...«
»Aber wie Sie sicher wissen, schreibt die Genfer Konvention vor, dass Sie mir zuvor Name, Dienstgrad, Wehrstammnummer und Geburtsdatum nennen müssen«, fuhr Zuwayy fort. »Beginnen wir also mit Ihrem Namen. Den können Sie mir sagen, ohne Ihren Diensteid als amerikanische Soldatin zu brechen. Er ist kein nationales Geheimnis. Sie machen sich dadurch nicht strafbar, das verspreche ich Ihnen. Von den meisten Ihrer Kameraden habe ich diese Informationen schon erhalten, deshalb sind sie nicht mehr hier bei Ihnen – sie werden gut ernährt, sind beim Arzt gewesen und haben sogar schon Kontaktkarten des Roten Kreuzes ausgefüllt.«
»Bitte, Euer Hoheit ... bitte helfen Sie mir, ich flehe Sie an ...«
So kam er mit ihr nicht weiter. Zuwayy wandte sich unwillig ab. »Wo ist das Knöchelband, das sie getragen hat?«, fragte er den Gefängniswärter.
Der Sergeant holte es. »Wir haben festgestellt, dass es eine Art Energiequelle zu sein scheint«, berichtete er. »Und in ihrer rechten Schulter haben wir das hier entdeckt.« Er zeigte Zuwayy eine Kapsel von der Größe eines Teppichnagels. »Dies ist irgendeine Art Sender und Empfänger. Er kann als Peilsender, vielleicht sogar zur Nachrichtenübermittlung gedient haben.«
»Hatten die anderen auch einen?«
»Nein, Hoheit. Sie könnte wertvoll sein ...«
»Oder sie könnte wirklich gefährlich sein«, sagte Zuwayy. »Gälte sie als vermisst, wäre sie nur eine weitere Gefallene – aber hier
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