Brown, Dale - Feuerflug
fünfundzwanzig Kilometer von Jaghbũb entfernt«, stellte Patrick fest.
»Richtig.«
»Die Strahlungsintensität nimmt weiter zu«, sagte Briggs.
»Sie dürfte bald gefährliche Werte erreichen.«
»Die Strahlung ist so stark, dass sie normale Funkverbindun gen stört«, sagte Senussi.
»Hätte eine libysche Patrouille kein Strahlenmessgerät –
heutzutage haben alle eines –, würden die gestörten Funkverbindungen sie auf die Strahlung aufmerksam machen.« Patrick fragte sich, warum Senussi sich die Mühe machte, dieses ungewöhnliche Detail zu erwähnen.
Als sie bis auf drei Kilometer an Jaghbũb herangekommen waren, hatte die Strahlungsintensität gefährlich hohe Werte erreicht. Von einem Hügel aus konnten sie den Stützpunkt überblicken und sahen eindeutig, dass dort ein schwerer Angriff stattgefunden hatte. Der Sand war schwarz verfärbt wie zwischen den Ruinen von Marsá Matrũh; Teile von gepanzerten Fahrzeugen, Gebäuden, Hubschraubern und allen möglichen sonstigen Gegenständen, oft nicht identifizierbar und noch schwelend, waren überall verstreut. Dazwischen lagen verkohlte, oft fast skelettierte Leichen – und die Kadaver von Geiern und anderen Aasfressern, die von ihnen zu fressen versucht hatten. Die Libyer hatten an allen Straßen und Fußwegen arabisch und englisch beschriftete Warnschilder aufgestellt, die den Zutritt wegen starker Verstrahlung untersagten. Viele Libyer hatten diese Warnung offenbar ignoriert, denn sie konnten überall libysche Panzerfahrzeuge stehen sehen, die vermutlich mit den aufgedunsenen, verwesenden Leichen verstrahlter Soldaten angefüllt waren.
»Der Stammsitz meiner Familie«, sagte Senussi. »Oder zumindest das, was noch davon übrig war, nachdem Gaddhafi und Zuwayy ihn entweiht und pervertiert hatten.«
»Tut mir Leid, dass er zerstört ist«, murmelte Patrick. »Das sollte Ihnen auch Leid tun – schließlich sind die Zerstörungen vor allem Ihr Werk, zumindest was den Stützpunkt betrifft«, sagte Senussi. Aber dann fügte er lächelnd hinzu: »Nein, das braucht Ihnen nicht Leid zu tun. Dieser Stützpunkt war eine Entweihung der ursprünglichen Absicht meiner Vorfahren. Sie haben Jaghbũb zu einem Ort der Frömmigkeit und Gelehrsamkeit ausgebaut; Gaddhafi und Zuwayy haben ihn in eine Festung und ein Sündenbabel verwandelt. Keine Sorge, Sie haben nur das getan, wozu ich mir die Mittel gewünscht hätte – Sie haben Jaghbũb dem Erdboden gleichgemacht.
Kommen Sie, wir wollen weiter.«
»Sie wollen dorthin?«
»Natürlich«, antwortete Senussi. Einige seiner Soldaten waren abgestiegen, um sich einen am Straßenrand stehenden Panzer anzusehen. Zu Patricks Verblüffung ließen sie den Motor des Fahrzeugs an und fuhren damit los – nicht vom Stützpunkt weg, sondern darauf zu!
»Patrick ...«
»Danke, ich hab’s schon kapiert«, sagte Patrick. Muhammad Senussi lächelte nur und nickte seinem Fahrer zu, er solle weiterfahren.
Als sie dem Schlachtfeld näher kamen, das einst die islamische heilige Stätte Jaghbũb gewesen war, traten die Einzelheiten deutlicher hervor: Manche der Leichen waren echt, aber die meisten waren Puppen aus Gips oder Holz. Viele der Panzerfahrzeuge waren zerstört, aber nicht von einem Atomschlag, sondern von Pak, Lenkwaffen zur Panzerbekämpfung oder den Spezialbomben der Marschflugkörper Wolverine, deren Kupferklumpen ihre Panzerung durchschlagen hatten. Der schwarze Sand auf dem Stützpunkt war nicht wirklich verglast, sondern bestand aus einer dünnen Schicht von dunklem Sand, Kies und Holzkohle, nicht aus den verdampften Überresten von Gebäuden. »Sie haben hier eine Kernwaffendetonation vorgetäuscht?«, fragte Hal Briggs ungläubig. »Das war nach Ihrem Angriff nicht mehr sehr schwierig«, antwortete Senussi. »Am nächsten Morgen war der Stützpunkt weitgehend evakuiert – wir haben die letzten Sicherheitspatrouillen erledigt, massenhaft gute Ausrüstung erbeutet, ein paar tausend Kilo Sprengstoff in die Luft gejagt, um alles realistischer zu machen, und die Gefallenen sowie Fahrzeugwracks dazu benutzt, die Illusion eines zerstörten Stützpunkts zu schaffen.«
»Und die Strahlung ...?«
»Aus dem hiesigen Lazarett erbeutete medizinische Radioisotope, die wir entlang der Straßen und Fußwege verstreut haben. Nicht genug, um von einem Flugzeug zum Aufspüren von Radioaktivität oder von einem Satelliten entdeckt werden zu können, aber genug, um die Strahlenmessgeräte von Patrouillen ansprechen zu lassen. Man
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