Brown, Dale - Feuerflug
wie der Pilot kampferprobt. Die 25-jährige Lindsey Reeves war ein geborenes Genie in Bezug auf Systeme jeglicher Art. Ob das System ein komplexes Hightechflugzeug wie das fliegende Schlachtschiff EB-52 Megafortress war oder Lindseys ganzer Stolz, ein Roadster AstonMartin DB4 GT Sanction I aus dem Jahr 1956, den sie eigenhändig restauriert hatte, spielte keine Rolle: Sie konnte es sich ansehen, ein paar Minuten damit herumexperimentieren und sofort erfassen, wie es funktionierte. Die Headhunter von Sky Masters Inc. hatten sie als Sechzehnjährige bei einem Schülerwettbewerb in ihrer Heimatstadt Madison, Wisconsin, entdeckt, den sie mit einem für den Empfang von GPS-Signalen umgebauten Radio gewonnen hatte – zu einem Zeitpunkt, als das Global Positioning System noch ein geheimes Militärprogramm gewesen war.
Auch Franken verstand sich auf komplizierte Systeme – das musste man, um die Megafortress zu fliegen. Sie unterschied sich so sehr von allen anderen Flugzeugen, dass man das Fliegen am besten den Computern überließ, die Computer mit Argusaugen beobachtete und zum Eingreifen bereit war, wenn sie den Geist aufgaben. Aber wenn es um Systeme ging, war Lindsey eine Klasse für sich. Leider war sie keine allzu gute Kopilotin: Sie wurde beim geringsten Anzeichen von Turbulenz luftkrank und benützte praktisch alle nicht verschreibungspflichtigen Mittel gegen Luftkrankheit – von Kupferarmbändern bis zu Ingwerpastillen – , um dagegen anzukämpfen. Aber wenn es Zeit wurde, in Aktion zu treten, war sie bereit ... im Allgemeinen.
»Drei Minuten bis zum Einflugpunkt im Tiefflug«, meldete Lindsey. Sie ließ sich aus zwei Düsen kalte Luft ins Gesicht blasen und atmete reinen Sauerstoff, der ihren Magen beruhigen sollte. »Alle Waffen einsatzbereit.«
»Versuchen Sie, sich ein bisschen zu entspannen, Lindsey«, schlug Franken vor. »Ziehen Sie die Handschuhe aus und machen Sie Lockerungsübungen mit den Fingern.« Lindsey trug immer Handschuhe – sie sagte, das sei praktisch, wenn sie schnell etwas brauchte, in das sie sich übergeben konnte. »Sie sind zu verkrampft.«
»Ich bin noch nie ... in den Kampf geflogen«, murmelte sie. »Unsere Einsätze auf den Übungsgeländen sind viel aufregender als das, was uns hier bevorsteht«, versicherte Franken ihr. »Sie machen Ihre Sache immer klasse, Lindsey. Versuchen Sie, sich ein bisschen zu entspannen.«
»Okay«, sagte Lindsay. Aber im nächsten Augenblick schien sie kurz davor zu sein, sich übergeben zu müssen. Sie ist nervös, dachte Franken – normalerweise ist sie drei Minuten vor dem Einsatz die Ruhe selbst.
»Beschreiben Sie mir den ersten Angriffsabschnitt, Lindsey«, forderte Franken sie auf.
»Mir ist nicht gut ...«
»Den Abschnitt, MC«, befahl er ihr streng. »Sofort!«
Sein Tonfall wirkte, und Disziplin und Routine lenkten sie von ihrem unruhigen Magen ab. »Einflugkurs eins-neun-fünf, Dauer zwölf Minuten fünfzehn Sekunden, automatisches Sinken auf Terrainfolgehöhe«, leierte Lindsey herunter. »Abfanghöhe zwotausend Fuß ... eingestellt und kontrolliert. Die erste Gefahr geht von einer SA-10-Stellung bei zwo Uhr aus. Bisher habe ich nur Flugsicherungsradare.«
Am Einflugpunkt erteilte Franken dem Flugcomputer der EB-52 Megafortress einen gesprochenen Befehl, und die große Maschine reagierte: Sie ging mit fünfzig Metern in der Sekunde tiefer, wobei automatisch die Triebwerksleistung verringert wurde, damit der Fahrtmesser im grünen Bereich blieb. Der Pilot brauchte nur die Computer zu überwachen, mehrmals zu schlucken, als der Kabinendruck sich änderte, und auf schwebende Gegenstände zu achten, weil das schnelle Sinken fast Schwerelosigkeit erzeugte. Gleichzeitig behielt er Lindsey im Auge – wenn sie sich übergeben musste, würde sie’s jetzt tun. Aber sie wirkte wie immer im Einsatz konzentriert, und daran würde sich hoffentlich nichts ändern.
Auf der linken Seite des Cockpits waren drei multifunktionale Farbdisplays (MFDs) mit sechzehn Zoll Diagonale angeordnet, auf denen Flugweg, Bordinstrumente, Triebwerk- und Systemanzeigen dargestellt waren; Franken konnte mit gesprochenen Befehlen zwischen diesen Anzeigen hin und her wechseln. Über den herkömmlichen Instrumenten und Anzeigen enthielt die Mittelkonsole drei weitere MFDs, auf denen das Treibstoffmanagement, die elektrischen, hydraulischen und pneumatischen Systeme, Gefahrenwarnungen und der Status ihrer Waffen dargestellt wurden. Vor dem Platz des rechts sitzenden
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