Brown, Dale - Phantomjäger
Luftraum verlassen würden. Senkow war müde, musste sich aber noch etwas mehr entspannen, bevor er schlafen konnte. Er überlegte kurz, ob er die attraktive OMON-Offizierin in seine Privatkabine einladen sollte – sie hatte eindeutig Interesse an solchem Zeitvertreib signalisiert, zweifellos in der Hoffnung auf eine Beförderung –, gelangte dann jedoch zu dem Schluss, er brauche Ruhe dringender als ...
In diesem Augenblick summte das Telefon neben ihm. Senkow starrte es überrascht an. Sein Telefon war auf »privat« umgestellt, weil er nicht gestört werden wollte, und falls einer seiner Assistenten etwas Dringendes für ihn hatte, konnte er einfach damit hereinkommen. Senkow ignorierte das Summen, weil er wusste, dass einer seiner Mitarbeiter oder jemand in der Nachrichtenkabine das Gespräch entgegennehmen würde – aber das tat niemand. Also nahm er irritiert den Hörer ab. »Wer ist da?«, sagte er knapp.
»Herr Präsident, Sie haben mir nicht mitgeteilt, dass Sie die Hauptstadt verlassen würden«, sagte General Anatolij Grislow.
Senkow lief ein kalter Schauder über den Rücken, als er Grislows Stimme hörte – vor allem in diesem Unheil verkündenden Tonfall. »Was gibt’s, General? Bukajow sollte Sie morgen früh informieren. Ich versuche gerade, etwas zur Ruhe zu kommen.«
»Versuchen Sie’s mit dieser OMON-Majorin aus der Einunddreißigsten Schützendivision. Sie hat mir erzählt, dass sie eine Beförderung und eine Versetzung nach Kaliningrad anstrebt«, sagte Grislow. »Dafür können Sie alles von ihr haben – alles. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede. Sie ist auf meine Empfehlung befördert und im Kreml in die Abteilung Personenschutz aufgenommen worden.« Grislow hat also auch gute Verbindungen zur OMONSpitze, sagte Senkow sich, und zur MWD-Führung ohnehin. Scheiße... »Rufen Sie mich nur an, um mir von einer Ihrer OMON-Schlampen zu erzählen?«
»Ich rufe Sie an, Senkow, um Ihnen zu sagen, dass Sie Russland und mich hintergangen haben, indem Sie den Einsatzbefehl nicht unterzeichnet haben«, antwortete Grislow. »Ich mag es nicht, wenn man mich belügt und meinen guten Namen gegenüber irgendwelchen Yankees in den Dreck zieht.«
»Ihr Name ist tot, Grislow!«, donnerte Senkow. Er klingelte sofort nach seinen Mitarbeitern im äußeren Arbeitsbereich und begann dann, auf seinem Computer einen Befehl zu formulieren, der MWD und OMON anwies, Grislow zu verhaften. »Ich lasse mir Ihren Ungehorsam nicht länger gefallen! Sie haben mir zum letzten Mal gedroht. Ich enthebe Sie hiermit Ihres Amtes, General. Ihr Stellvertreter soll sich im Verteidigungsministerium melden, um seine Anweisungen zu erhalten. Sie selbst stehen vorläufig unter Hausarrest. Reichen Sie sofort ein Entlassungsgesuch ein, bestehe ich nicht auf einer Kriegsgerichtsverhandlung.«
»Wie großzügig von Ihnen, Senkow«, sagte Grislow hämisch. »Aber das wird nicht nötig sein. Ich werde den Generalstab morgen früh verlassen – und mich dauerhaft im Kreml einquartieren.«
»Was reden Sie da?« Auf sein Klingeln reagierte niemand, und die E-Mail ließ sich nicht abschicken. Er tastete unter der Schreibtischkante nach dem »Panikknopf« und drückte ihn. Theoretisch hätten nun alle Sicherheitsbeamten an Bord in die Kabine des Präsidenten stürmen müssen – aber keiner ließ sich blicken. Senkow nahm den Hörer des Telefons zum Cockpit ab. Es klingelte, aber niemand meldete sich.
»Die Sache ist ganz einfach, Senkow: Sie sind draußen, und ich bin drin«, erklärte Grislow ihm. »Übrigens würde ich Ihnen nicht raten, die Tür Ihrer VIP-Kabine zu öffnen.«
»Was haben Sie getan, Grislow?«
»Nichts allzu Dramatisches – nur ein allmähliches Versagen des Belüftungssystems Ihrer Maschine«, antwortete der General. »Außerdem habe ich die Warnleuchten beim Abfallen des Kabinendrucks und das Sauerstoffsystem stilllegen lassen. In vier- bis fünftausend Metern Höhe haben Ihre Piloten vermutlich die ersten Anzeichen von Sauerstoffmangel gespürt, den Notfall erklärt und ihre Sauerstoffmasken aufgesetzt. Die Masken haben nicht funktioniert, aber das dürften die Piloten erst zu spät bemerkt haben. In der Hauptkabine waren sicher alle schon aufgrund des Sauerstoffmangels bewusstlos, und wenige Minuten später dürfte es auch die Cockpitbesatzung erwischt haben. Gegenwärtig fliegt der Autopilot Ihre Maschine, die sich über dem Westen Finnlands befindet und in der alle bewusstlos sind – nur Sie nicht.
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