Brown, Dale - Phantomjäger
der Öl- und Erdgasförderung hatten – und dabei haben die Russen immerhin die sibirischen Ölfelder erschlossen.«
»Öl hat die seltsame Eigenschaft, die schlimmsten Charakterzüge von Regierenden zu verstärken«, meinte der Präsident nachdenklich. »Bitte weiter, Douglas.«
»In den Jahren 1985 bis 2002 stand Saparmurad Nijasow an der Staatsspitze, erst als Generalsekretär der Kommunistischen Partei, dann als Staatspräsident«, fuhr Morgan fort. »Er war unglaublich wendig und hat sich rascher mit dem Wind gedreht als eine Wetterfahne in einem Tornado. Als Turkmenistan noch von den Russen kontrolliert wurde, war er ein eifriger Anhänger der Russen; als die Sowjetunion zerfiel und die nationalistischen Kräfte stärker wurden, verwandelte Nijasow sich in einen Nationalisten – er führte Turkmenisch als Amtssprache ein, ließ Koranschulen errichten und so weiter. Als die Taliban in Afghanistan die Macht übernahmen und mit der Besetzung der fundamentalistischen Ostprovinzen Turkmenistans drohten, nahm Nijasow einige Mullahs, die Taliban-Anhänger waren, in seine Regierung auf. Er herrschte mit eiserner Faust. Jeder Abgeordnete des turkmenischen Parlaments musste vom Präsidenten genehmigt werden; der Präsident ernannte eigene Zensoren und Chefredakteure für sämtliche Medien des Landes – die Liste ließe sich endlos weiterführen. Nijasow persönlich unterzeichnete den großen Deal mit TransCal, das erste große Ölförderabkommen Turkmenistans und potenziell einer der lukrativsten jemals im Ölgeschäft unterzeichneten Verträge.
Im Jahr 2001 zog Nijasow sich endlich aus der Politik zurück und ließ so genannte Wahlen abhalten, bei denen es aber nur einen Kandidaten gab: Kurban Gurisow, Parlamentsvorsitzender und stellvertretender Vorsitzender der aus der Kommunistischen Partei hervorgegangenen Demokratischen Partei. Wie Nijasow herrscht er absolut autokratisch. Oppositionsparteien sind weiterhin verboten, alle Kandidaten für öffentliche Ämter müssen ihm genehm sein, und er hat buchstäblich einen Polizeistaat geschaffen. Gurisow ist entschieden ausländerfeindlich, gegen Muslime und nachdrücklich russenfreundlich.«
»Das Militär muss ihn hassen«, meinte Goff.
»Es gibt dort praktisch kein Militär«, sagte Morgan. »Mit paramilitärischen Einheiten und Reserven vielleicht insgesamt vierzigtausend Mann; vier Fünftel Wehrpflichtige; altes sowjetisches Kriegsmaterial in sehr schlechtem Zustand. Das Offizierskorps besteht überwiegend aus Russen – Offiziere, die bleiben wollten, behielten einfach ihre Posten und werden jetzt von der turkmenischen Regierung besoldet. Natürlich haben sie die beste Ausrüstung.«
»Von wem würden sie wohl Befehle annehmen, wenn’s zu einer Krise käme?«, fragte Busick.
»Ich tippe auf Russland«, bestätigte Morgan. »Kurban Gurisow ist von Geburt Russe und nicht in Turkmenistan, sondern in Russland aufgewachsen – wir vermuten, dass er seinen turkmenischen Vornamen nur als Konzession an Nijasows nationalistische Bewegung angenommen hat. Er spricht kein Turkmenisch. Wir wissen, dass er wegen des Kurses bei der Erschließung der Öl- und Erdgasvorkommen gelegentlich mit Nijasow aneinander geraten ist.
Gurisow hielt es für ratsam, auf enge Bindungen zwischen Turkmenistan, und der russischen Ölförderindustrie zu setzen; Nijasow unterzeichnete dagegen Verträge mit mehreren ausländischen Explorationsfirmen. Turkmenistan hat Verträge mit westlichen Firmen für den Transport von Öl und Gas durch Afghanistan nach Pakistan, mit Aserbeidschan für den Öltransport zum Schwarzen Meer, mit Russland für den Öltransport dorthin und sogar mit dem Iran für die Durchleitung von Öl zum Persischen Golf. Auf den ersten Blick scheint das recht clever zu sein. Turkmenistan bekommt Geld aus verschiedenen Quellen und kann auch in Krisenzeiten immer irgendwohin liefern. Aber obwohl in Turkmenistan alle möglichen Entwicklungsprojekte in allen möglichen Stadien laufen, exportiert das Land im Augenblick sein Öl nur nach Russland – und das zu Schleuderpreisen.«
»Ich denke, es wäre zweckmäßig, die Ereignisse in Turkmenistan genauer zu beobachten, vielleicht sogar durch eingeschleuste Agenten«, sagte Kercheval. »Ich mache mir Sorgen wegen der laufenden Ölförderprojekte westlicher, vor allem amerikanischer Firmen. Wir wollen nicht, dass sie zwischen die Fronten geraten, wenn die Russen beschließen, sich wieder in Turkmenistan zu engagieren – oder
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