Brown, Dale - Phantomjäger
vielleicht dort einzumarschieren, wie sie’s auf dem Balkan versucht haben.« Er wandte sich an Finanzminister Franklin Seilers, der in der Regierung Thorn auch Handelsminister und USHandelsbeauftragter war. »Kann ich eine Aufstellung der genehmigten Projekte in Zentralasien bekommen, Franklin?« »Natürlich Edward.« Seilers, ein ehemaliger Nasdaq-Vorsitzender, war einer der jüngsten Finanzminister, die Amerika jemals gehabt hatte; mit Verteidigungsminister Robert Goff gehörte er zu den wenigen Mitgliedern der Jeffersonian Party, die einen Kabinettsposten bekleideten. »Das größte Projekt, das mir spontan einfällt, ist die Öl- und Erdgaspipeline, die TransCal Petroleum für drei Milliarden Dollar bauen will, um turkmenisches Öl und Erdgas durch Afghanistan bis in die pakistanischen Häfen zu pumpen. Seit dem Ende der Talibanherrschaft in Afghanistan wird dieses Projekt wieder vorangetrieben. Die TransCal plant auch, für eine Milliarde Dollar eine Pipeline zu bauen, die turkmenisches Erdgas nach Usbekistan leiten soll, um Zentralasien und Indien zu versorgen – damit soll Indien beschwichtigt werden, das gegen ein US-Projekt protestiert hat, das Pakistan erhebliche Einnahmen garantiert.« Er machte eine Pause, dann wandte er sich an den Präsidenten. »Aus politischer Sicht könnte es nicht schaden, diese beiden Projekte zu unterstützen, Sir. Im kommenden Wahlkampf für Ihre Wiederwahl könnte die TransCal zu den wichtigsten Geldgebern gehören.«
»Der Wahlkampf interessiert mich nicht, Franklin«, knurrte Thorn. »Ich habe die Interessen Amerikas zu wahren, nicht die einer Ölgesellschaft.«
Seilers nickte, sah dann aber mit einer unausgesprochenen Frage im Blick zu Robert Goff hinüber, der ihm mit einem kurzen Nicken bedeutete, dass er seine Frage verstanden habe, aber noch warten wolle. »Andererseits finde ich«, warf der Verteidigungsminister ein, »dass jede amerikanische Regierung intervenieren muss, wenn eine ausländische Regierung einen Vertrag nicht einhält oder seine Ausführung behindert, oder wenn diese Regierung nicht imstande ist, eine amerikanische Firma vor Einmischungen von außen zu schützen oder die Sicherheit von im Ausland arbeitenden US-Bürgern zu garantieren. Und vom Außenministerium und den Geheimdiensten höre ich, dass Übergriffe der Taliban oder mögliche russische Reaktionen amerikanische Bürger und Interessen in Turkmenistan gefährden könnten.«
»Das ist eine ziemlich weit hergeholte Begründung, denke ich«, sagte Thorn. »Firmen wie TransCal gehen ein kalkuliertes Risiko ein, wenn sie in Staaten wie Turkmenistan investieren. Ich habe nicht die Absicht, automatisch Truppen in Marsch zu setzen, nur um eine riskante Auslandsinvestition einer amerikanischen Firma zu schützen. Kündigt Gurisow den Vertrag auf oder holt russische Truppen ins Land, die TransCal daran hindern, ihre Pipelines weiterzubauen, entsende ich keine Marineinfanteristen, um der Firma zu ihrem Recht zu verhelfen. Und nun bitte weiter. Als Nächstes möchte ich hören, was ...«
»Entschuldigung, Mr. President, aber soll das Ihre offizielle Position sein: dass die Vereinigten Staaten nicht daran denken, amerikanische Interessen in Turkmenistan oder sonst wo auf der Welt zu schützen?«, fragte Außenminister Kercheval ungläubig. »Bei allem Respekt, Sir – was für eine Art Politik wäre das?«
»Eine realistische Politik«, antwortete Thorn. »Eine verantwortliche Politik. Ich werde kein Land dazu zwingen, den Vereinigten Staaten Öl zu verkaufen, und ich werde keine amerikanischen Soldatinnen und Soldaten in Marsch setzen, um das Recht einer US-Firma, im Ausland Geld zu verdienen, zu verteidigen. Ist es zu gefährlich, in Turkmenistan Erdöl zu fördern und zu transportieren, sollten wir vielleicht lieber die Finger davon lassen.«
»Sir, das ist nur gefährlich, weil Terroristen oder autoritäre Regierungen sich einmischen«, wandte Kercheval ein. »Amerikanische Firmen geben Milliarden Dollar dafür aus, um sich in Staaten wie Turkmenistan neue Geschäftsfelder zu erschließen – sie erwarten und verdienen, dass ihre Investitionen sich rentieren; und sie erwarten und verdienen ein Mindestmaß an Schutz von ihrer eigenen Regierung. Das steht in der Verfassung, die Sie so gern zitieren, Mr. President: ›Leben, Freiheit und das Streben nach Glück ...‹«
»Das steht in der Unabhängigkeitserklärung, Mr. Kercheval, nicht in der Verfassung«, verbesserte Thorn ihn.
»Wo auch
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