Brown, Dale - Schattenpilot
unabhängigen Staat anzuerkennen«, sagte Präsident Martindale. »Unserer Überzeugung nach hat die Republik China sich zu einer starken Demokratie entwickelt, die keinen Vergleich mit anderen asiatischen Nationen zu scheuen braucht und daher die Chance verdient hat, sich als souveräner Staat weiterzuentwickeln. Ich will die Volksrepublik China keineswegs kränken, aber ich bin bereit, für Taiwans Recht auf Unabhängigkeit einzutreten. Ihr Land wird hoffentlich die Realitäten dieser Situation erkennen und sich mit Präsident Lee friedlich über die zukünftigen Beziehungen der beiden Chinas einigen.«
»Mit Unterstützung der Vereinigten Staaten wollen wir genau das tun, Sir«, bestätigte Hou. »Wir wissen, dass Sie den Taiwan Relations Act von 1979 widerrufen müssen und für Ihr Vorhaben die Zustimmung des Senats brauchen. Die Regierung der Volksrepublik China ersucht Sie, in Ihren Gesetzentwurf den Passus aufzunehmen, dass Sie die taiwanesischen Unabhängigkeitsbestrebungen nur im Prinzip gut heißen, bis die Gesetze der Volksrepublik China entsprechend liberalisiert sind, und voll und ganz hinter der Wiedervereinigung der beiden Chinas bis zum Jahre 2005 stehen. So könnten Sie sich die Unterstützung Ihres Senats für ein erstrebenswertes Ziel sichern, für das inzwischen die meisten Staaten der Welt eintreten.«
»Ich werde über Ihren Vorschlag nachdenken, Herr Botschafter«, antwortete der Präsident. »Danke für Ihre Zeit und Ihre Unterstützung. Gute Nacht, Herr Botschafter.« Hou war noch dabei, ihm vielmals für seine Zeit und Geduld zu danken, als Martindale auflegte. Der Präsident holte tief Luft und nahm einen Schluck Kaffee. »Botschafter Hou ist entweder ein sehr überzeugender Quassler oder ein sehr aufrichtiger Vertreter seines Landes. Jedenfalls haben die Chinesen zugegeben, dass sie Mist gemacht haben.«
»Sie haben zugegeben, überreagiert zu haben, aber sie haben nicht eingestanden, falsch oder fahrlässig gehandelt zu haben«, stellte Freeman fest. »Und ich finde es verdächtig, wie unbefangen sie das alles hinnehmen. Hunderte von chinesischen Soldaten und Zivilisten haben den Tod gefunden - angeblich durch heimtückische amerikanische und taiwanische Angriffe -, und ihr Botschafter entschuldigt sich? Irgendetwas stimmt da nicht.«
»Sie halten das Ganze noch immer für ein Täuschungsmanöver, Philip?«, fragte der Präsident. »Sie glauben noch immer, dass China das alles inszeniert hat, um einen Vorwand für eine Invasion zu haben?«
»Sie meinen, ob die Volksrepublik China es riskieren würde, ihren eigenen Flugzeugträger anzugreifen, nur um einen Showdown mit Taiwan zu erzwingen?« Freeman machte eine Pause, dann sagte er: »Darüber will ich nicht spekulieren. Aber möglich wäre es immerhin ...«
Admiral Baiboa schüttelte den Kopf und schnaubte verächtlich. Baiboa war kleiner und weniger athletisch als der sportlich schlanke Freeman, aber was ihm an Struktur fehlte, machte er durch seine lebhafte, zupackende, ruhelose Art, die niemand ignorieren konnte, mehr als wett. »Entschuldigung, General Freeman«, widersprach er, »aber ich halte die Idee für lächerlich, die Chinesen würden - nur in der Hoffnung, Taiwan dazu provozieren zu können, einen Krieg anzufangen - vier Torpedos auf ihren eigenen Flugzeugträger abschießen. Diese Vorstellung können wir ausschließen, glaube ich.«
»Ich schließe überhaupt nichts aus, Admiral«, sagte Freeman, »aber ich gebe zu, dass das ziemlich unwahrscheinlich ist. Andererseits ist dieser Vorfall erst eineinhalb Stunden alt. Für eine abschließende Bewertung ist es noch viel zu früh. Was Mr. Plank vorhin ausgeführt hat, erscheint mir sehr plausibel. Vielleicht ist das Ganze doch ein chinesisches Täuschungsmanöver gewesen.«
»Wie Sie selbst gesagt haben, General«, warf Baiboa ein, »ist der Invasionsplan für Matsu seit über einem Jahr ausgearbeitet und weithin bekannt. Und Taiwan hat angedroht, die Mao Zedong zu versenken, wenn sie jemals in die Formosastraße einläuft. Alles das ist keine große Überraschung.«
»Aber die Medien haben sich auf diesen Vorfall gestürzt, als sei er der Auftakt zum Dritten Weltkrieg«, stellte Martindale gereizt fest. Nach einem Blick auf seine Armbanduhr sah er zu Stabschef Haie hinüber. »Jerrod, lassen Sie Chuck noch heute Abend eine Pressemitteilung für mich ausarbeiten. Darin soll klar zum Ausdruck kommen, dass ich die Ereignisse mit großer Sorge verfolge und jederzeit zur
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