Brown, Dale - Schattenpilot
Präsident. »Danke für Ihren Anruf, Senatorin. Gute Nacht.« Martindale legte auf, bevor sie weitere Fragen stellen konnte. »Diese verdammte Hexe hat vielleicht Nerven!«, sagte er halblaut. »Belehrt mich über meine Pflichten dem Kongress gegenüber!«
»Seien Sie lieber vorsichtig, Kevin«, riet Haie ihm besorgt. »Kanzeln Sie sie nicht am Telefon ab - man weiß nie, wer vielleicht zuhört. Wollen Sie ihr die Meinung sagen oder ihr erklären, wohin sie sich ihre Vorschläge stecken kann, lassen Sie sie am besten ins Weiße Haus kommen und machen ihr hier klar, was Sache ist. Dann muss sie sich anziehen und vom Nob Hill rüberkommen. Und Sie können weitere Spitzenpolitiker einladen, damit ein größeres Publikum miterlebt, wie sie sich windet.«
»Danke, Jerrod. Das weiß ich alles - ich brauche nur jemanden, der mich daran erinnert, wenn ich unter Druck stehe«, sagte der Präsident. »Also gut. Ich will, dass auf Guam eine zerschossene, unbewaffnete Megafortress zur Besichtigung durch die Senatorin bereit steht - und dass alle übrigen EB-52 schnellstens von der Insel verschwinden und versteckt oder zu Konfetti zerkleinert werden. Sorgen Sie dafür!«
Präsidialamt, Peking Freitag, 20. Juni 1997, 9.17 Uhr Ortszeit
(Donnerstag, 19. Juni, 18.17 Ostküstenzeit)
»Unter normalen Umständen, Admiral Sun Ji Guoming, wäre ich geneigt, Ihnen meine Anerkennung für einen tadellos durchgeführten Auftrag auszusprechen«, sagte der chinesische Präsident Jiang Zemin kalt. Neben ihm stand General Chin Po Zihong. »Aber das kann ich diesmal nicht. Admiral, Sie haben behauptet, Sie könnten die gesamte pro-westliche Allianz so entzweien, dass wir die von den Nationalisten gehaltenen Inseln kampflos besetzen könnten. Aber das ist keineswegs der Fall! Stattdessen sind vor Hongkong Dutzende von Genossen ums Leben gekommen, unser neuer Flugzeugträger ist von uns selbst schwer beschädigt worden, auf dem Fährschiff vor Quemoy hat es fast hundert Tote gegeben, die Nationalisten haben fast ein Dutzend unserer Jäger abgeschossen, ohne selbst eine einzige Maschine zu verlieren, und - was am schlimmsten ist - unser Botschafter in Washington entschuldigt sich bei dem amerikanischen Präsidenten und vor der UN-Vollversammlung für unsere Handlungsweise!«
»Sie müssen Geduld haben, Genosse Präsident«, antwortete Admiral Sun. »Gestatten Sie mir, unsere bisherigen Erfolge aufzuzählen.« Als Jiang nickte, fuhr er fort: »Die Vereinigten Staaten haben zwei ihrer vier Kriegsschiffe aus der Formosastraße abgezogen, und ihre U-Boote sind jetzt noch weiter von unseren Schiffen und Stützpunkten entfernt stationiert. Die Stealth-Bomber, die uns ausspionieren und die Rebellen bei Angriffen auf uns unterstüt/en sollten, sind diskreditiert und als Aggressoren gebrandmarkt; sie werden bald ganz aus dem Pazifik abgezogen. Der Präsident der Vereinigten Staaten steht als Aggressor da und wird schon fast mit Saddam Hussein oder Muhammar Ghadafi verglichen. Der von ihm befohlene Stealth-Bomber-Einsatz gegen den Iran wird bereits untersucht; jetzt werden auch die auf seinen Befehl erfolgten kriegerischen Einsätze der ehemals geheimen modifizierten Bomber B-52 über der Formosastraße untersucht werden. Sein eigenes Volk fürchtet ihn und misstraut ihm - und bald werden auch Amerikas Verbündete in aller Welt ihn fürchten und ihm misstrauen.
Noch wichtiger ist jedoch, dass die Vereinigten Staaten und die Nationalisten jetzt isoliert sind, weil die Welt sie beide als Kriegstreiber sieht, die bei der Verfolgung ihrer Ziele vor nichts zurückschrecken«, fuhr Sun fort. »Präsident Martindale wird es schwerfallen, im Kongress Unterstützung für sein Vorhaben zu finden, die Unabhängigkeitsbestrebungen der Nationalisten zu fördern. Halten wir den Druck aufrecht und bearbeiten die Medien weiter in unserem Sinne, schlägt die Meinung der Weltöffentlichkeit früher oder später zu unseren Gunsten um. Dann muss auch Martindale eines Tages unserem Vorschlag für eine Wiedervereinigung der beiden Chinas bis zum Jahre 2005 zustimmen. Ist Taiwan dann sogar von den Vereinigten Staaten isoliert, können wir es jederzeit annektieren.«
»Das klingt sehr schön, Admiral«, warf General Chin ein, »aber hier geht es um militärische Realitäten. Die Vereinigten Staaten ziehen zwei Fregatten ab, aber mit zwei Fregatten und vier U-Booten, die im dortigen Seegebiet verbleiben, haben sie noch immer starke Kräfte in der Formosastraße stationiert -
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