Brown, Sandra - Ein skandalöses Angebot
die
Schulter. »Jared ist ein bisschen überdreht, Lauren. Er hat
es bestimmt nicht so gemeint.«
Mit seiner verständnisvollen Art riss er die schützende
Mauer ein, die sie um sich errichtet hatte, und sie ließ ihren
bitteren Tränen freien Lauf.
Auf dem Weg in ihr Zimmer fing Lauren den gehässig
triumphierenden Blick ihrer Schwiegermutter auf. Wie war
es nur möglich, dass ein Mensch so tief hassen konnte, sinnierte sie. Maria hatte einmal angedeutet, dass Olivia eine
frustrierte und einsame Frau sei. Trotz aller Antipathie beschlich Lauren ein Hauch von Mitgefühl für Olivia. Von ihrem selbstzerstörerischen Egoismus getrieben, war diese
Frau gar nicht fähig zu lieben.
Als hätte sie ihre Gedanken erraten, verengten sich Olivias
smaragdgrüne Augen zu Schlitzen. In diesem Moment
schwante Lauren, dass sie ihrer dominanten Schwiegermutter einen Schritt voraus war. Gestärkt in diesem Wissen,
schwebte sie hoch erhobenen Hauptes an ihr vorbei die
Treppe hinauf.
Die Stunden vergingen endlos langsam. Nachdem Rosa
den Tisch abgeräumt hatte, wurde es unangenehm still im
Haus. Carson saß in Olivias Arbeitszimmer, sie hinter dem
Schreibtisch, er davor in einem Sessel. Sie redeten wenig.
Ob Jared schon gemerkt hatte, dass die Munition verschwunden war? Bestimmt. Es hatte ihn jedenfalls nicht davon abgehalten, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Hatte
Pepe die Leute noch rechtzeitig warnen können? Fragen
über Fragen, auf die Lauren keine Antwort wusste.
Sie lag auf ihrem Bett und starrte brütend an die Decke.
Wie sollte sie diesen Albtraum bloß überstehen? Visionen
von einem angeschossenen, blutüberströmten Jared überlagerten die Bilder des spöttisch grinsenden jungen Mannes
mit den kühlen, harten Augen, die denen seiner Mutter so
ähnlich waren. Für einen kurzen Augenblick sah sie ihn vor
sich, seine Züge zärtlich und liebevoll.
Irgendwann vernahm sie Hufgetrappel, das sich dem
Haus näherte. Lauren hielt den Atem an und lauschte. Als
es lautstark an der Haustür klopfte, sprang sie förmlich aus
dem Bett und flog die Stufen hinunter. Carson eilte eben
zum Portal. Kurt Vandiver stürzte schwer atmend in die
Halle.
»Jared ist angeschossen worden!«
Kapitel 24
Sein Zustand ist kritisch«, erklärte Kurt dem älteren
Mann, in dessen Miene sich tiefe Bestürzung zeigte. »Wo
ist Lauren?« Plötzlich gewahrte er sie auf dem Treppenabsatz, ihr Gesicht so weiß wie ihre Fingerknöchel, die den
Handlauf umkrampften.
Er trat an den Fuß der Treppe und blickte zu ihr hoch.
»Ziehen Sie sich schnell Ihre Reitsachen an, ja? Er fragt
nämlich nach Ihnen.«
Statt einer Antwort wirbelte sie herum und stürmte in ihr
Zimmer.
Olivia war neben Carson getreten. »Diese Bastarde hatten
uns schon erwartet«, erklärte Kurt aufgebracht. »Irgendwer
muss ihnen einen Tipp gegeben haben. Dann ging die Ballerei los. Ich vermag nicht einzuschätzen, wie viele von unseren Männern verletzt oder getötet wurden. Das mit dem
Zündeln war wegen der feuchten Witterung illusorisch. Es
regnet Bindfäden.« »Ist Jared schwer verletzt, Kurt?«, erkundigte Carson sich besorgt.
Kurts Blick schoss zu Olivia. »Mmh, schwer zu sagen,
Carson. Ich dachte bloß, seine Frau sollte bei ihm sein.«
Olivia blieb die Ruhe selbst. Sie stellte keine unnötigen
Fragen. Carson hatte die stoische Gelassenheit, die sie sich
in heiklen Situationen bewahrte, immer bewundert. Er tätschelte ihr zuversichtlich den Arm.
Lauren kam die Stufen heruntergerannt. Sie trug noch ihre
elegante Spitzenbluse von vorhin und dazu eines ihrer Reitkostüme sowie Stiefel. In einen kleinen Leinenbeutel hatte
sie in aller Eile Verbandszeug gestopft.
»Ich bin so weit.« Entschlossen ging sie durch das Portal
ins Freie.
Nach einem kurzen Blick zu Olivia folgte Kurt ihr hastig.
»Ich habe den Stallburschen angewiesen, ein Pferd zu satteln«, rief er Lauren zu. »Warten Sie, ich hol es Ihnen.«
So schnell es seine stämmigen Beine erlaubten, hechtete
er über den Hof und in den Stall. Lauren spürte weder Nässe noch Kälte. Sie sah die zuckenden Blitze am westlichen
Himmel, irgendwo über Keypoint. Sie faltete die Hände vor
der Brust und betete für das Leben ihres Mannes. Er darf
nicht sterben. Bitte, lieber Gott, lass ihn am Leben.
Kurz darauf kehrte Kurt in Begleitung des Stallknechts zurück. Judd wollte ihr in den Sattel helfen. Sie zögerte kurz.
Ob der Ritt ihrem Baby schadete? Einerlei, sie musste zu
Jared. Sie saß
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