Brown, Sandra - Ein skandalöses Angebot
weiterhin im Türrahmen, eine missmutige Falte zwischen ihren
dunklen Brauen.
»Gute Nacht, Lauren«, sagte sie kühl.
»Gute Nacht.« Als sie die Treppe hochstieg, fühlte Lauren
fast körperlich, wie der stechende Blick ihrer Schwiegermutter sich in ihren Rücken bohrte.
Am nächsten Morgen lief Lauren in die Küche und fragte
Rosa, ob sie ihr bei den Vorbereitungen für das Thanksgiving-Menü helfen könne. Die Köchin jedoch hatte ihr Regiment fest im Griff. Elena legte eben die frisch gewaschene
Wäsche zusammen. Daraufhin erbot sich die junge Frau, ihre Sachen selbst nach oben zu bringen und dem Mädchen
diesen Weg abzunehmen.
»Ich nehme Jareds Sachen gleich mit hoch«, meinte sie,
als Elena ihr einen Stapel frisch duftender Wäsche in den
Arm drückte. Woraufhin die junge Mexikanerin Jareds steif
gestärkte weiße Oberhemden und die bunten Flanellhemden, die er auf seinen Ausritten trug, obenauf packte.
Lauren lief die Stufen hinauf, klopfte an Jareds Zimmertür. Keine Reaktion. Als sie leise rufen wollte, vernahm sie
Wasserrauschen, das aus dem Bad in den Flur drang.
Merkwürdig, soweit sie wusste, hatte er das Bad zwischen
ihren Zimmern noch nie benutzt.
Unentschlossen schob sie die Tür einen Spalt breit auf.
Was soll`s?, überlegte sie und schlüpfte ins Zimmer.
Ein großes, eichengeschnitztes Bett und ein wuchtiger
Kleiderschrank dominierten den Raum. In einer Ecke stand
eine Spiegelkommode mit Rasierspiegel, Waschschüssel
und Krug. Ein gemütlicher Schaukelstuhl ergänzte die
schlichte Möblierung. Die braun gestreiften Vorhänge vor
den Fenstern waren zurückgezogen und ließen das Sonnenlicht herein. Auf dem Bett lag eine Tagesdecke aus demselben Stoff. Das Zimmer war ordentlich aufgeräumt und mutete sehr maskulin an. Behutsam legte sie den Stapel Hemden auf den Waschtisch und wandte sich zum Gehen. Plötzlich fiel ihr etwas ins Auge.
Jared hatte seine Taschen anscheinend noch vor dem Zubettgehen auf dem Waschtisch ausgeleert. Neugierig heftete sie den Blick auf das bunte Sammelsurium. Ein Schildpattkamm. Ob er den jemals benutzte?, fragte sie sich mit
einem spitzbübischen Lächeln. Jede Menge Münzen. Eine
Rolle Geldscheine. Seine goldene Taschenuhr. Drei zusammengefaltete Quittungsbelege. Ein Schlüsselbund mit
sechs Messingschlüsseln. Eine Schachtel Streichhölzer.
Und ...
Ihr Herzschlag setzte einen Wimpernschlag lang aus. Um
sich dann so heftig zu beschleunigen, dass sie eine Hand
auf ihren Busen drückte und mit zitternden Fingern ihre
Ansteckuhr ertastete.
Zwischen dem ganzen Krimskrams und völlig deplatziert
ringelte sich ein dünnes blaues Seidenband. Es hatte eine
verräterische Ähnlichkeit mit der Wäschelitze, die Mrs.
Gibbons, die Schneiderin, für ihre neue Unterwäsche verwendet hatte. Außerdem fehlte an einem ihrer Bustiers ein
solches Band, nachdem Jared sie vor ein paar Wochen entkleidet und zu Bett gebracht hatte.
Sie wusste nicht, ob sie unbewusst seinen Namen gehaucht hatte. Jedenfalls rumorte jemand an der Badezimmertür. Das Geräusch riss sie aus ihrer Trance. Sie wirbelte
herum, starrte mit schreckgeweiteten Augen dorthin. Er
durfte sie auf gar keinen Fall entdecken!
Sie hastete blitzartig zu ihrer Zimmertür und verschwand
im Innern. Hörte, wie er leise summend sein Zimmer betrat, völlig ahnungslos, dass er seine junge Braut soeben in
einen tiefen, emotionalen Konflikt gestürzt hatte.
Kapitel 16
Olivia, Ihre reich gedeckte Tafel lässt mal wieder keine
Wünsche offen. Das Essen war köstlich«, strahlte Parker
Vandiver. Er hatte dem traditionellen Truthahnbraten reichlich zugesprochen und prostete ihr mit seinem Weinglas zu.
Olivia und Carson saßen an den beiden Enden des festlich
gedeckten Tisches, Parker und Jared auf der einen, Lauren
und Kurt auf der anderen Seite. »Ja«, bekräftigte Kurt
schmeichlerisch. »Es war fabelhaft, nicht zuletzt durch die
Gesellschaft meiner zauberhaften Tischdame.«
Jared umklammerte sein Weinglas so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten, und Lauren wunderte sich,
dass das Glas unter dem Druck nicht zerbrach.
Sie rückte von Kurt weg, zumal seine Präsenz zunehmend
unerträglich wurde. Seitdem sie bei Tisch saßen, schmiegte
sich sein stämmiger Schenkel an ihren. Andauernd neigte er
sich vertraulich zu ihr oder betatschte sie in zudringlicher
Weise.
Sie hatte eine ausgeprägte Aversion gegen die Vandivers.
Beide, Vater und Sohn, waren skrupellose Ausbeuter und
gingen bestimmt
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