Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)
Assistenten, die sämtliche Verträge gründlich analysierten, die Bruce mit Appel und der wiederum in seinem Namen mit CBS Records, der William Morris Agency usw. abgeschlossen hatte. Die beiden Parteien gingen sich aus dem Weg und rüsteten sich für den bevorstehenden Kampf. Es blieb lange Zeit relativ ruhig, bis Bruce’ Anwälte CBS Mitte Juni darüber informierten, dass ihr Klient plane, im August mit den Aufnahmen zu seinem vierten Album zu beginnen, und dass Landau ihm dabei als Produzent zur Seite stehen werde. Zwei Wochen später holte Appels Juristenteam mit einem Schreiben zum Gegenschlag aus. Es hieß darin, die geplanten Aufnahmen würden nicht stattfinden, da Bruce lediglich als Subunternehmer für Laurel Canyon Ltd., den direkten Vertragspartner von CBS, arbeite. Er habe Appels Weisungen Folge zu leisten und all seine Aufnahmen der Produktionsfirma auszuhändigen. Anfang Juli teilten Appels Anwälte außerdem mit, dass ihr Klient nicht erlaube, dass Landau an Aufnahmen von Bruce Springsteen mitwirke.
Jetzt, da Appel offiziell die Kontrolle über seine Karriere übernommen hatte, blieb Bruce nichts anderes übrig, als sich mit allen Mitteln zur Wehr zu setzen. Daher reichten seine Anwälte am 27. Juli Klage ein. Sie beschuldigten Appel unter anderem des Betrugs und der Untreue in mehreren Fällen. Zwei Tage später kam von Appels Seite eine Gegenklage: Bruce wurden etliche Vergehen gegen seinen Manager und Vertragsverletzungen vorgeworfen.
Vor Gericht provozierte Appels Anwalt, Leonard Marks, Bruce so sehr, dass dieser seine Selbstbeherrschung verlor. Anwesend waren auch Bruce’ eigene Anwälte, ein Vertreter von CBS Records, die Anwälte von Jon Landau (der in Appels Klageschrift ebenfalls erwähnt wurde) und der New Yorker Notar Bernard Jacobs. Bruce hatte keine Ahnung, wie ein Zivilprozess ablief, was ihn bei einer Vernehmung erwartete und wie er mit dieser Situation umzugehen hatte. Seine Anwälte hätten ihn darauf vorbereiten können. Appels Anwalt wiederum war mit allen Wassern gewaschen. Er nötigte Bruce, Fragen zu beantworten, die ihn verwirrten (wie der nicht enden wollende Fragenkatalog zu den Mitgliedern seiner Roadcrew – wie ihre genauen Tätigkeitsbezeichnungen lauteten, worin im Einzelnen ihre Aufgaben bestanden und wie viel sie verdienten) oder ihn als typischen größenwahnsinnigen Rockstar darstellten (»Sind Sie während Ihrer Tour 1975 in teuren Hotels abgestiegen?«, »Stimmt es, dass Sie in der Regel ganze Suiten für sich allein hatten?«). Schließlich verlor Bruce die Fassung. Er brüllte, fluchte und sprach Appels Anwalt wutentbrannt mit »Lenny« an. Plötzlich kletterte er sogar auf den Konferenztisch und sprang darauf herum. Dann schwang er sich wieder herunter, stieß die Tür auf und stürmte über den Flur geradewegs in die Damentoilette. Das war ein in jeder Hinsicht verheerender Auftritt. Der Richter nahm Bruce beiseite und erklärte ihm, dass seine Aussagen durchaus gegen ihn verwendet werden könnten und dass er sich mit solchen Ausrastern selbst schade.
Später, als Peter Parcher und seine Mannschaft Mayers Mandat übernahmen, versuchten Bruce’ Anwälte die blanke, ehrliche Wut, die in dessen Zornesausbrüchen aufflammte, strategisch zu nutzen. Springsteen-Anwalt Mike Tannen, Landau und einige andere hatten begriffen, dass Appel sich nie auf einen Vergleich einlassen würde, solange er nicht einsah, dass seine Beziehung zu Bruce nicht mehr zu retten war. Auch nach der Wiederaufnahme der Verhandlungen wurde Bruce ab und an zornig und laut, jedoch befolgte er nun klare Vorgaben bezüglich dessen, was er sagen und wie er seine Aussage vorbringen sollte. »Ich erkannte, dass ich kein einziges Scheißrecht an den Sachen besaß, die ich geschrieben hatte … Er [Appel] hat mir erzählt, dass ich die Hälfte der Rechte an meinen Songs besitze, aber das war gelogen … Man hat mich hintergangen … Jede einzelne Zeile von ›Born to Run‹ stammt von mir, und keine Zeile dieses [Kraftausdruck gelöscht] Songs ist von ihm. Trotzdem gehört er mir nicht. Ich darf ihn nicht mal auf ein Stück Papier drucken lassen, wenn ich das wollte. Man hat mich gelinkt.« Sätze wie diese wiederholte Bruce wie ein Mantra. »Er hat mich belogen!« »Er war unaufrichtig zu mir!« »Er hat mein Vertrauen missbraucht!«
Was Bruce gegenüber Appel empfand, kam in seiner neuen, schwermütigen Ballade »The Promise« zum Ausdruck. Der Song steckt voller Anspielungen. Vor dem Hintergrund
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