Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)
Kaum ein Paragraf habe etwas mit den vertraglichen Regelungen gemein, die derzeit in der Branche üblich seien, meinte er. Bruce kam bei der ganzen Sache unglaublich schlecht weg. Selbst der auf das Showbusiness betreffende Rechtsfragen spezialisierte Anwalt David Benjamin (dessen Kollegen Peter Parcher und Mike Tannen Bruce’ Mandat bald übernehmen sollten) war erschüttert, als er ein paar Monate später einen Blick auf die Verträge warf. »[Die Verträge] waren nach allen Regeln der Kunst aufgesetzt.« Es gab dermaßen viele Fallstricke, dass man kaum glauben konnte, dass Appel das alles allein ausgetüftelt haben sollte. »Appel hatte noch nie zuvor jemanden gemanagt. Ihm können diese ganzen Tricks überhaupt nicht vertraut gewesen sein.« Viel wahrscheinlicher sei, so Benjamin, dass Appels Anwalt Jules Kurz die Verträge ausgefertigt habe. Die dreifache Aufgliederung in Management-, Produzenten- und Verlegervertrag, die vollständige Übertragung aller Rechte an Bruce’ Songs auf Laurel Canyon, das eklatante Missverhältnis bei der Verteilung der Gewinne aus den Lizenzeinnahmen, die nicht unmittelbare vertragliche Beziehung zwischen Bruce und Columbia Records. »Hier hatte jemand alle Tricks angewendet.«
Zurück in New York stattete der fast panische Bruce Appels ehemaligem Assistenten Bob Spitz einen Überraschungsbesuch ab. (Spitz arbeitete inzwischen für Elton Johns amerikanisches Management.) »Wir saßen an meinem Esszimmertisch, und Bruce sagte: ›Bitte, erzähl mir alles, woran du dich erinnerst, alles, was mir helfen könnte.‹« Als Spitz ihn fragte, ob er die Zusammenarbeit mit Appel beenden wolle, schüttelte Bruce den Kopf. »Ich will Mike als meinen Produzenten, aber nicht als meinen Manager.« Landau, der mittlerweile hinzugekommen war, schien derselben Meinung zu sein. Aber Spitz wunderte sich. »Wo liegt denn das Problem?«, fragte er. »Er ist doch schon dein Produzent.« Doch Bruce schüttelte energisch den Kopf. »Nein, nein, er kriegt viel zu viel Geld. Er nimmt mich aus.«
Wenn sie aus erster Hand erfahren wollten, wie locker Bruce’ Geld in Appels Tasche saß, dann waren sie bei Spitz an der richtigen Adresse. »Immer wenn ein Scheck [aufgrund einer Lizenzabrechung] für Bruce eintraf, ließen wir ihn uns bei Appels Bank an der Ecke 54th Street und 6th Avenue auszahlen«, erklärt Spitz. »[Mike] ließ das Geld dann in der Tasche seiner Levi’s verschwinden und bezahlte alles davon.« Bedenken, die Spitz gegen den eigentümlichen Umgang seines Chefs mit dem Geld seines Klienten äußerte, tat Appel achselzuckend ab. »Er sagte dann: ›Das werden wir alles zurückzahlen!‹«, erinnert sich Spitz. Damals konnte man mit Appel über diesen Punkt kaum streiten, denn ähnlich großzügig ging er auch mit seinem eigenen Geld um. Wenn auf den Konten von Laurel Canyon Ebbe herrschte, zweigte er für sich selbst nur das Allernotwendigste ab. Nur so konnten sie den Sprit und die Hotels bezahlen und für die Gagen aufkommen. Denn es war unbedingt erforderlich, dass Bruce und die Band weiter tourten, damit der Musiker eines Tages so berühmt würde, wie er es verdiente. Wer hatte schon die Zeit, penibel Buch zu führen, wo sie gerade dabei waren, die Welt zu erobern? Bruce scherte sich gewiss nicht um solche Kleinigkeiten. Wenn sie bei der Musik keine Kompromisse machen mussten und ihr Ziel weiterverfolgen konnten, würde sich alles andere schon von selbst finden. Bruce konnte sich darauf verlassen, dass Appel das genauso sah wie er. »Mike ist für mich der Größte, die Nummer eins«, hatte er John Rockwell kurz vor der Veröffentlichung von Born to Run erklärt. »Ich mache keine halben Sachen. Und Mike weiß das. Für viele Entscheidungen, die ich getroffen habe, musste er die Prügel einstecken.«
Inzwischen war Appel jedoch nicht mehr der Einzige in seinem näheren Umfeld, der in musikalischen Belangen ebenso engagiert und leidenschaftlich war wie er selbst und darüber hinaus über genügend Geschäftssinn verfügte, um seine Stärken herauszustellen und seine Schwächen zu kaschieren. Doch vielleicht war nun Landau mit seinem scharfen Verstand und seinem Einfühlungsvermögen genau der Richtige, um Bruce auf der nächsten Etappe seines Weges zu begleiten. Knapp zwei Jahre nachdem Landau ihn zur Zukunft des Rock’n’Roll erklärt hatte, war Bruce davon überzeugt, dass der zum Produzenten avancierte Kritiker genau das aus ihm machen konnte. Bruce nahm sich Landaus Meinung so
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