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Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Titel: Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ames Carlin
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vielleicht auch wegen der vielen Andeutungen auf eine kriselnde Beziehung in nahezu allen wichtigen Songs auf Tunnel of Love, lief sich die Story rasch tot. David Hickley von der New Yorker Daily News vermutete, dass viele Bruce-Fans ihrem Idol die Affäre nicht übel nahmen, sondern ihn dadurch einfach nur ein wenig menschlicher fanden. Wer denkt, dass diese Erklärung zu sehr von der Nachsicht eines Fans zeugt, sollte einmal einen genaueren Blick auf Bruce’ Gesamtwerk werfen – bis zurück zu dem von Theiss-Springsteen geschriebenen B-Seiten-Titel der Castiles »That’s What You Get«. Dabei wird schnell klar werden, dass Bruce innerlich immer zwischen moralischen und unmoralischen Positionen zerrissen war.
    Das alles rechtfertigt verwerfliches Verhalten nicht, ganz gleich, wer davon betroffen ist. Aber es war – und ist – unmöglich, Bruce vorzuwerfen, er habe irgendwelche ethischen Prinzipien verletzt, die er anderen mit seinen Texten gewissermaßen vorschreibt, denn seine Figuren fechten ihre Kämpfe in der Regel mit sich selbst aus. Vor der Tür fast jeder männlichen Figur auf Tunnel of Love sowie auf den B-Seiten und Outtakes zu diesem Album lauert ein bellender Höllenhund. »When I look at my face I don’t see/The man I wanted to be«, heißt es in dem selbstzermürbenden »One Step Up«, in dem ein unglücklicher Ehemann einer Frau in einer Bar schöne Augen macht. Wie Bill Hornton, der mit seinen tätowierten Händen hart daran arbeitet, die auseinanderdriftenden Kräfte Liebe und Angst zu versöhnen, konnte Bruce nur hoffen, dass er niemanden so tief verletzt hatte wie sich selbst.
    »Aber natürlich habe ich das getan«, sagt er. »Ich habe Juli nicht beschützt. Die Trennung offiziell bekannt zu geben, wäre nur fair gewesen. Aber ich war viel zu besorgt um meine eigene Privatsphäre. Ich habe mich bei der ganzen Sache wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert, und das macht mir immer noch zu schaffen. Es stattdessen auf die Weise zu erfahren, wie sie es taten, war für manche ganz schön grausam.«
    Weit weg von Zuhause fühlte sich Bruce von aller Wut und allen Schuldgefühlen, die ihn in den letzten Monaten seiner Ehe geplagt hatten, befreit. Als er in Europa auf die Bühnen ging, spürte er eine neu erwachte Lust auf hemmungslosen Rock’n’Roll. Schon gegen Ende der US-Tour hatte er das romantische »Be True« durch die wilde, fetzige Bluesnummer »Boom Boom« ersetzt, bei der Clemons mit seinen Saxofonattacken auch noch die letzten Dämme zum Einsturz brachte, die nach Bruce’ explosiven Gitarreneinlagen noch nicht niedergerissen waren. Mit einer entfesselten Version von »Because the Night« brachte er im zweiten Teil des ersten Europa-Konzerts das Stadio Communale in Turin zum Kochen. Ein, zwei Wochen später nahm Bruce mit »Bobby Jean«, »The River« und »Downbound Train« auch wieder ein paar Highlights der Born in the U.S.A. -Tour ins Programm auf. Am 1 7 . Juli spielte er in München zum ersten Mal auf dieser Tour »Badlands«, und er war so begeistert von der euphorischen Reaktion des Publikums, dass er das nächste Konzert in Ostberlin sogar mit dieser Vollgas-Nummer eröffnete. Direkt danach brachten sie »Out in the Street«, und im zweiten Teil der Show spielten sie mit »The Promised Land« einen weiteren bis dahin verschmähten Klassiker. Für einen grundlegenden Sinneswandel sprach das nicht unbedingt, denn das Konzert am 19. Juli fand in Ostberlin nahe der Mauer auf dem Boden der damaligen DDR statt. Dass deren Schicksal in etwas mehr als einem Jahr besiegelt sein würde, konnte damals niemand ahnen. Doch 1988 versuchten bereits einige Ostblockstaaten, sich dem Einfluss der Sowjetunion zu entziehen. Auch wenn von dem Ende der kommunistischen Diktaturen in Osteuropa zu dieser Zeit niemand zu träumen wagte, schienen sich die Dinge zaghaft zu wandeln. Bruce und Landau stellten sich vor, dass ein großes Rockkonzert den Freiheitsdrang der Ostdeutschen enorm beflügeln müsse. Landau bat Bruce’ deutschen Konzertveranstalter, sich zu erkundigen, ob die Regierung der DDR einem kostenlosen Konzert in Ostberlin zustimmen würde. Die SED-Funktionäre waren von dieser Idee durchaus angetan; Bruce schien ihnen gut in ihr ideologisches Konzept zu passen: Sie sahen in ihm die Ikone der amerikanischen Arbeiterklasse und schätzten seine vermeintlich antikapitalistische Gesinnung. Als Veranstaltungsort für das Konzert wählte man das Gelände der Radrennbahn Weißensee. Nachdem schon

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