Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)
eigenen Verstärker her und wurde zu einem Experten auf dem Gebiet des Akustikdesigns. Gleichzeitig nutzte West seine Kenntnisse aus der Raumfahrttechnik und konstruierte eine Reihe schneller, leichter Boards, die sich insbesondere durch ihre justierbaren und abnehmbaren Skegs bzw. Finnen auszeichneten.
Mit dieser Idee begann die Geschichte der Challenger Surfboard Company, die 1965 zusammen mit ihrem Firmengründer nach San Francisco, dem Zentrum der immer populärer werdenden Hippiekultur, übersiedelte. Als West sich 1968 entschloss, zu expandieren und auch an der Ostküste geschäftlich aktiv zu werden, wozu er eine weitere Fertigungsstätte an der Küste von New Jersey errichtete, ging er davon aus, dass es rund um die Promenade von Asbury Park ähnlich interessante Typen wie in Kalifornien gab. Stattdessen fand er nichts als Touristenbars, Coverbands und eine Szene vor, die auf seinen hellwachen Verstand auf Anhieb den Eindruck machte, »total beschissen« zu sein. »Keine Kreativität, keine Eigenkompositionen. Ich langweilte mich zu Tode.«
Nach einem Besuch im Upstage und einem anregenden Gespräch mit Tom Potter keimte etwas Hoffnung bei ihm auf. Und als Potter ihm eines Abends im Green Mermaid Vini Lopez vorstellte, machte West einen bedenkenswerten Vorschlag: Sollte es Lopez gelingen, eine Band zusammenzustellen, die interessante Eigenkompositionen spielte, würde er diese Band nicht nur managen und ihr eine erstklassige PA basteln, sondern ihr auch einen Proberaum in seiner Fabrik zur Verfügung stellen.
West bekräftigte sein Angebot, als Lopez ihm ein oder zwei Tage nach dem Upstage-Jam, den West gesehen hatte, mit Bruce einen Besuch abstattete. Alles, was sie jetzt noch zu tun hätten, erklärte er, sei die verdammt beste Band zu werden, die man jemals gehört hatte. »Ihr kümmert euch um die Musik«, sagte West, »ich um den restlichen Mist.«
Sie schlugen ein und machten sich ans Werk.
Bruce, Vini Lopez, Danny Federici und Vinnie Roslin bezogen mit ihren Verstärkern einen leerstehenden Raum im Challenger East Werk – einem niedrigen Betonklotz inmitten einer Reihe von Fabriken und Lagerhallen auf einem Hügel in Wanamassa, nur ein kurzes Stück von Asbury Park entfernt. Die Proben begannen am frühen Morgen und dauerten, wie es West von der Band verlangt hatte, bis in der Surfbrettfabrik Feierabend gemacht wurde. Ihm war gleich, für wie gut die Jungs sich hielten oder wie gerne sie stundenlang auf den Horizont gestarrt und von göttlichen Riffs geträumt hätten. Das waren Dinge, die sie getrost in ihrer Freizeit machen konnten. »Wenn ich arbeiten muss, müsst ihr es auch«, erklärte er den vier Musikern. »Ich will hören, wie ihr hier drinnen Musik macht, wenn ich da draußen stehe und ein Surfbrett schleife.«
Billy Alexander half, Wests Worten Nachdruck zu verleihen: »Wenn wir zu lange keine Musik mehr hörten, ließen Tinker oder ich die Peitsche knallen. Ich klopfte an die Tür, streckte den Kopf rein und fragte: ›Hey Jungs, es ist so still, was treibt ihr? Wir bauen da draußen immer noch Surfbretter.‹ Keiner hat sich je beschwert. Im Gegenteil, sie mochten es.«
So arbeiteten die Jungs also zu den üblichen Geschäftszeiten, studierten Bruce’ Songs ein, feilten an Arrangements (Federici, der eine klassische Musikausbildung genossen hatte, war in dieser Hinsicht eine große Hilfe) und wiederholten die einzelnen Stücke so lange, bis sie die Akkordfolgen, jähen Stopps und überraschenden Einsätze im Schlaf beherrschten. Nach den offiziellen Proben spielten sie sich noch stundenlang durch die Blues- und Rock-Standards, die sie von anderen Bands aus der Gegend oder aus dem Radio kannten. Das wiederum inspirierte sie oft zu neuen Akkordfolgen, aus denen sich eigene Melodien ergaben, die Bruce auf der Gitarre ausarbeitete, bevor er ein oder zwei Zeilen Text dazu sang, die ihm seit Tagen durch den Kopf schwirrten.
Die vielen Tage und Nächte, die sie miteinander verbrachten, trugen entscheidend dazu bei, dass die Band, deren jedes einzelne Mitglied seine individuellen Vorlieben hatte, schließlich zu einem kompakten, einheitlichen Sound fand, der zu gleichen Teilen von Cream, Steppenwolf und Rhinoceros beeinflusst war. Rhinoceros – jene wenig bekannte Band, zu deren Playback Earth während der Dreharbeiten zu NYPD: Now You’re Practically Dead aufgetreten waren – waren eine Art Supergroup bestehend aus ehemaligen Mitgliedern von Iron Butterfly, Electric Flag und den
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