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Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Titel: Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ames Carlin
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Appel? Wer war dieser Mike Appel, der um elf Uhr einen Termin bei ihm hatte? Ach, irgend so ein hartnäckiger Manager, der partout meint, hier vorbeikommen zu müssen, erklärte Harris. Andere Vorgesetzte wären wahrscheinlich aus der Haut gefahren. Hammond hingegen war fasziniert. Schon viele Jahre zuvor hatte er herausgefunden, dass man auf der Suche nach interessanten Acts auch auf solche Details achten musste, die nicht notwendigerweise etwas mit Musik zu tun hatten. So wie Mickey ihn beschrieb, schien dieser Appel völlig irre zu sein. Aber vielleicht wirkte er ja gerade deshalb so, weil er ein wirklich außergewöhnliches Talent an der Hand hatte. »So etwas kommt gelegentlich vor«, schrieb Hammond später.
    Als Spross des so vermögenden wie privilegierten Vanderbilt-Clans hatte sich Hammond, der in den Genuss einer privaten Schulbildung und eines Studiums an der Yale University gekommen war, in seiner Jugend vehement für die Bürgerrechte eingesetzt. Der spindeldürre, leicht zittrige Mann – Hammond litt seit einer Scharlacherkrankung in der Kindheit an einer Herzschwäche – war bereits seit den 20er-Jahren ein leidenschaftlicher Jazzfan gewesen; damals war er über die hohen Mauern der exklusiven Hotchkiss School geklettert, um in einen Pendlerzug nach Harlem zu steigen und die dortigen Jazz-und Blues-Clubs auszukundschaften. Erste berufliche Erfahrungen sammelte er als Musikkritiker, eine Beschäftigung, über die er schließlich seinen Traumjob als Talentscout, A&R-Manager, Berater und Controller bei Columbia Records fand.
    Hammond, der stets die Höflichkeit in Person war, insbesondere gegenüber Musikern, hielt dennoch nicht mit seiner Meinung hinterm Berg, wenn er Mittelmäßigkeit und Zynismus witterte. »Ich saß [bei Besprechungen] neben ihm, und wenn sie eine Platte vorstellten, die ihm nicht gefiel, flüsterte er mir laut und deutlich ins Ohr: ›Was ist das nur für ein verdammter Mist!‹«, so der damalige Juniormanager (und spätere Columbia-Chef) Al Teller. »Aber er war alles andere als ein Tyrann, er war ein Musik-Junkie, der sich alles anhörte, was man ihm präsentierte.« Und wenn ihm gefiel, was er hörte, nahm sich Hammond einer Sache unverzüglich persönlich an.
    Mit einem so unnachgiebigen Kerl wie Appel hatte er es bis dahin allerdings noch nicht zu tun gehabt. Pünktlich zum vereinbarten Termin schob der seinen Schützling in Hammonds recht chaotisches Büro. Man schüttelte sich die Hände und Hammond deutete auf die mit Alben übersäten Besucherstühle. Als schließlich alle saßen, zog Appel sogleich vom Leder. »Sie sind also der Mann, der Bob Dylan entdeckt hat«, sagte er. »Mal sehen, ob Ihre Ohren wirklich was taugen, denn ich habe jemanden, der viel besser ist als Dylan.«
    »Er begann wesentlich aggressiver, als es der Situation angemessen war«, schrieb Hammond 1977 in seiner Autobiografie. Der völlig konsternierte Bruce konnte nur zuhören. »Ich war in einer Art Schockstarre«, erzählte er seinem Biografen und Freund Dave Marsh einige Jahre später. »Ich sackte innerlich in mich zusammen und dachte nur: ›Mike, bitte mach mal eine Pause. Lass mich doch einfach einen verdammten Song spielen.‹« Als Appel dann tatsächlich mal Luft holen musste, konterte Hammond: »Ich weiß nicht, was Sie hier beweisen wollen, aber Sie sind auf dem besten Wege, sich bei mir unbeliebt zu machen.« Dann wandte er sich Bruce zu und bat ihn, einen Song zu spielen. Der schnappte sich seine Gitarre und spielte die ersten Akkorde von »It’s Hard to Be a Saint in the City«. Hammond erkannte sofort, wie souverän dieser junge Mann mit der Gitarre umging. Dann konzentrierte er sich auf die Lyrics. »Ich hörte gleich, dass er ein geborener Dichter war«, schrieb er. »Aber ich ließ mir meine Begeisterung nicht anmerken.«
    Bruce spielte danach noch »Growin’ Up«, »Mary Queen of Arkansas« und »If I Was the Priest«, und Hammond war total überwältigt. »Ich wollte Appel nicht zeigen, wie beeindruckt ich war«, schrieb er. Also nickte er dem jungen Musiker bloß aufmunternd zu und bat ihn weiterzuspielen. Hammond zufolge dauerte die gesamte Session rund zwei Stunden. Danach fragte der A&R-Mann Bruce, ob er sich vorstellen könne, noch an diesem Abend in einem New Yorker Club aufzutreten, um zu zeigen, wie er vor Publikum spiele. Als Mike und Bruce bestätigten, dass dies kein Problem sei, griff Hammond zum Telefon und arrangierte alles für einen Auftritt im Gaslight AuGoGo

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