Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)
fröhlich. Wie eine Einladung zu einer Party, die bereits in vollem Gange war.
Gefeiert wurde wahrhaftig, zum Funk von »Spirit in the Night« ebenso wie zu einer Express-Version von »It’s Hard to Be a Saint in the City«, die jetzt mit dreckigen Gitarrenklängen, pulsierenden Bassläufen und Drumsounds, die den Saal erzittern ließen, begeisterte. Die so wichtige Singleveröffentlichung »Blinded by the Light« spielte Bruce nur selten (»Zu viele Wörter«, erklärte er in einem Radiointerview); lieber griff er auf das bereits ein paar Jahre alte »You Mean So Much to Me« zurück oder wählte eine Nummer aus der permanent wachsenden Liste neuer Songs, die er geschrieben hatte, um zu hören, was seine Jungs auf der Bühne daraus machten. »Thundercrack« über die in der Bronx aufgewachsene Diane und ihren verführerischen Tanzstil wurde zu einem Publikumsliebling. Er war eine der ersten Ergänzungen auf der Setlist und gehörte ab Januar zu den letzten Songs jeder Show. Gleichzeitig präsentierte Bruce eine weitere neue Nummer: »Rosalita (Come Out Tonight)«, erneut eine Hommage an Diane und eine himmelsstürmende Geschichte von Liebe, Rock’n’Roll und Freiheit mit einem leicht südamerikanischen Flair, das vor allem an der Stelle durchschlägt, wo der Erzähler seine Freundin packt, auf den Highway fährt und sie beschwört, niemals zurückzublicken: »’Cause the record company, Rosie, just gave me a big advance.«
»Die Leute müssen sich nur die Band ansehen«, sagte Bruce in einem Interview. »Ganz gleich ob die Halle leer oder voll ist … was die Jungs spielen, kommt immer tief aus ihren Herzen. Das ist wirklich ein großartiger Haufen, sie geben jeden Abend alles, immer.« Schon zu Beginn des Jahres, als die meisten Shows noch im Nordosten der USA stattfanden, war eine Menge Kondition nötig, um mit dem Tempo und dem Rhythmus des Tourlebens Schritt zu halten. Mit den ursprünglich geforderten siebenhundertfünfzig Dollar pro Gig ließen sich kaum die Ausgaben für Benzin, Verpfegung und Gehälter decken – von den Kosten für Appels und Cretecos’ Büro ganz zu schweigen. »Wir mussten uns einen Van leihen, um das Equipment zu transportieren«, sagt Albee Tellone, der ehemalige Folk-Musiker aus dem Upstage, der die Band als Roadie begleitete (und bald ihr Roadmanager wurde). Tellone arbeitete zusammen mit einem weiteren ehemaligen Upstage-Stammgast, dem extrem hochgewachsenen und korpulenten Blueser Big Danny Gallagher. Diese Minicrew wurde oft von Cretecos unterstützt, der als Tourmanager, Tontechniker und Beleuchter gleich drei Funktionen wahrnahm. Meist waren sie mit zwei Wagen unterwegs: einem geliehenen Dodge Maxivan, aus dem man die Rücksitze entfernt hatte, um für Gitarren, Keyboards und Amps genug Platz zu haben, und einem Kombi für die Band und die Crew. Richtige Schlafplätze gab es nicht, allerdings konnte man sich hinten in den Van zwischen Verstärker und Gitarren quetschen, um sich für ein paar Stunden auszuruhen. Als das Equipment der Band so umfangreich wurde, dass sie für seinen Transport einen U-Haul-Trailer anmieten mussten, wurde auch der zu einer beliebten Anlaufstelle für erschöpfte Bandmitglieder.
Sie waren dauernd pleite und von daher genötigt, sich Schlafplätze in Wohnheimen, Umkleidekabinen oder bei Freunden und entfernten Verwandten zu erbetteln. Doch Bruce, die Band und die zweiköpfige Crew nahmen ihr Schicksal meist klaglos hin. Die fünfunddreißig Dollar Wochenlohn wurden nicht immer rechtzeitig ausgezahlt, manchmal auch überhaupt nicht. Tellone rechnete mehrere tausend Dollar Spritkosten über seine private Kreditkarte ab und stand nur selten angemessen weit oben auf Appels Spesenabrechnungsliste. Doch das war alles nicht so wichtig, denn es gab Gigs, die gespielt werden und Zuschauer, die überzeugt werden mussten. Danach luden alle gemeinsam das Equipment wieder in den Van, verdrückten einen Burger (falls sie in der Nähe einen bekommen konnten), kletterten in den Wagen und nahmen die Dreihundertmeilenfahrt zum nächsten Club auf sich, wo alles wieder von vorn begann. Auf der Fahrt erkämpfte sich jeder ein bisschen Platz in dem verqualmten Auto, während sich Bruce und Clemons vom Radio verzaubern ließen, Songs mitsangen und sich heftig stritten, wenn die Geschmäcker mal wieder verschieden waren.
Jeder hatte seine Marotten, doch niemand konnte es mit Big Danny Gallagher aufnehmen. Der geriet oft in Rage, wenn ihm jemand sagte, was er zu tun
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