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Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Titel: Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ames Carlin
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Headliner mitreisen, dennoch genossen sie ein ihnen bisher unbekanntes Maß an Exklusivität: Die Unterbringung in erstklassigen Hotels und die exzellente Verpflegung waren ein Standard, der in den frühen 70ern nur für Top-Acts üblich war. »Doch das Beste von allem waren die Jungs von der anderen Band«, sagte Bruce 1974 . »Sie waren großartig, einfach wunderbar authentisch.« Den Soundtrack zu ihren Partys an den gemeinsam verbrachten Abenden lieferte der Chicago-Bassist und -Sänger Peter Cetera mit polnischen Weisen, die er auf Federicis Akkordeon spielte. An einem Abend in Hartford, Connecticut, ging es besonders heiß her: Ein paar Jungs von Chicago spannten Lopez und ein, zwei andere Mitglieder von Bruce’ Band ein, ihnen bei der Suche nach ein paar ebenso netten wie aufgeschlossenen jungen Damen behilflich zu sein, die sie bei einem früheren Besuch in Hartford kennengelernt hatten. Danach verbrachte die gesamte Truppe inklusive Bruce und seinen anderen Musikern den Rest der Nacht bis in die frühen Morgenstunden bei einer ausgelassenen Party am Hotelpool.
    Bei den Shows ging es allerdings nicht so entspannt zu. Aufgrund bestimmter Gewerkschaftsvorschriften und der mangelnden Geduld des Publikums musste Bruce seinen üblichen neunzigminütigen Auftritt auf vierzig Minuten reduzieren und auch noch komplett auf Zugaben verzichten. Zudem hatte Bruce zu Beginn der Tour das gesamte Video- und Soundsystem von Chicago nutzen dürfen, doch nach ein, zwei Abenden drosselte ihnen die Headliner-Crew die Lautstärke, und wieder ein, zwei Abende später schalteten sie ihnen auch die Videoleinwände ab, sodass Bruce’ Performance zu einer dumpfen Hintergrundberieselung degradiert wurde. »Ich ließ mich auf diese Tour ein, weil ich noch nie in so großen Hallen aufgetreten war«, erklärte Bruce dem Journalisten Paul Williams 1974 . Aber die allabendliche Reserviertheit des Publikums stellte sein Selbstbewusstsein auf eine harte Probe. »Ich wurde wahnsinnig auf dieser Tour«, sagte er. »Ich habe mich noch nie so schrecklich gefühlt, und das alles nur wegen der miesen Auftrittsbedingungen für unsere Band.«
    Frustriert und wütend knöpfte sich Bruce Appel vor und erklärte ihm, dass sie nie wieder einer anderen großen Band als Statist dienen würden. »Von jetzt an sind wir ein Club-Act, der sich aus eigener Kraft hocharbeiten wird.« Peter Philbin sagt, Bruce’ Standpunkt sei ebenso mutig wie naiv gewesen. »Chicago waren nun einmal sehr angesagt«, erzählt er. »Wenn ein Newcomer, der erst eine gewisse Bekanntheit erlangen muss, so eine Tour einfach sausen lässt, darf er dafür von seiner Plattenfirma nicht allzu viel Verständnis erwarten. Und Bruce hat sich derlei Ausfälle wiederholt geleistet.«
    Was noch schlimmer war: Bruce hatte gerade seinen wichtigsten Fürsprecher beim Label verloren. Trotz des hervorragenden Rufs, den Davis in der Musikbranche genoss, rächten sich Ende Mai 1973 die jahrelangen Kämpfe, die er sich mit dem ehemaligen Columbia-Chef Goddard Lieberson in der Chefetage von Columbia /CBS geliefert hatte. Davis wurde gefeuert, weil er angeblich Firmengelder veruntreut und damit die Bar-Mizwa seines Sohnes finanziert hatte. Allerdings hatten bei CBS bereits im Frühjahr Gerüchte über weitaus schlimmere Vergehen die Runde gemacht. Für Bruce ergab sich nun eine völlig neue Situation: Ohne Davis, der ihm in der Vorstandsetage immer den Rücken gestärkt hatte, drohte seine bisherige Position bei Columbia infrage gestellt zu werden.
    Wenn die Fahrt zum nächsten Gig länger dauerte, reiste Bruce gerne zusammen mit Albee Tellone im Van mit dem Equipment. Auf dem Beifahrersitz hatte er die Ruhe, um sein Notizbuch hervorzuholen und über die Welt, die hinter der Windschutzscheibe an ihnen vorbeirauschte, nachzudenken.
    Von überall her drängten sich ihm erzählenswerte Eindrücke auf: Fassaden, Straßenschilder, Gesichter der Menschen auf den Bürgersteigen oder jener, die an der Ecke ein Schwätzchen hielten oder ein Kinderplanschbecken aus einer Woolworth’s-Filiale herausschleppten. Als sie an einem Stripclub vorbeikamen, an dem die Rückkehr einer beliebten Tänzerin angekündigt wurde, notierte Bruce »Kitty’s Back« auf eine der Notizbuchseiten und legte damit den Grundstein zu einer urbanen Gangsterstory über Dealer, Intriganten und treulose, unwiderstehliche Frauen.
    Mit offenen Augen legte er Meile um Meile zurück und zeichnete ein Bild des modernen amerikanischen Lebens

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