Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Titel: Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ames Carlin
Vom Netzwerk:
als von den atemberaubenden Soli, die man sonst von ihm gewohnt war. »Ich war an diesem Abend mit etwa zehn wichtigen Leuten aus der Branche dort, und er spielte so grässlich, dass der Saal bald leergefegt war«, erzählt Peter Philbin. Bei einer der von Clive Davis organisierten »A Week to Remember«-Shows, mit denen Columbia seine wichtigsten Vertragskünstler ehrte und zu der Bruce extra nach Los Angeles eingefogen worden war, schien zunächst alles planmäßig zu laufen: Bruce begann mit einer starken, bluesigen Version von »Spirit in the Night«. Als aber die Stimmung unter den vorwiegend aus der Musikindustrie stammenden Zuhörern gedämpft blieb, hielt sich der für seine mitreißenden Auftritte bekannte Musiker auf der Bühne ebenfalls zurück. Nach dem Auftritt nahm Davis ihn zur Seite und gab ihm einen entscheidenden Rat: »Denk mal darüber nach, die ganze Bühne zu nutzen, du stehst einfach nur da.«
    Bruce war noch nie gerne vor Menschen aufgetreten, die in erster Linie wichtig und einflussreich waren und nur deshalb im Publikum saßen, und nicht, weil sie großes Interesse daran hatten, was auf der Bühne passierte. Dass ihn sein Ehrgeiz erfolgreich zu sein, dazu gebracht hatte, auf der alljährlichen CBS-Vertriebskonferenz in San Francisco aufzutreten, machte ihn wütend genug. Als man ihn dann auch noch auf die Bühne drängte, bevor sich die letzten Rauchwolken des für die Edgar Winter Group aufgefahrenen Feuerwerk- und Laser-Spektakels verzogen hatten, kochte er. Man hatte ihm für seinen Auftritt fünfzehn Minuten eingeräumt, doch er spielte über eine halbe Stunde. Er beendete sein Set mit dem Kurzepos »Thundercrack«, das er durch einen komischen Sprechgesang in der Mitte und einige Endlossoli, die selbst die Geduld seiner größten Fans auf die Probe gestellt hätten, noch extrem in die Länge zog. John Hammond, dem die Verärgerung ins Gesicht geschrieben stand, nahm sich seinen eigensinnigen Schützling hinter der Bühne vor. »Was sollte das denn, Bruce?«, schrie er. »Hältst du das für angemessen?« Bruce zuckte nur mit den Achseln.
    Es ging ihm dabei weniger um Hammond als um seine eigene Ratlosigkeit. Er konnte seinen Ehrgeiz, seine Sehnsucht und seinen Drang, alles zu kontrollieren, nicht miteinander in Einklang bringen. Es machte ihm schwer zu schaffen, zu manchen Fragen keinen klaren Standpunkt mehr vertreten zu können. Was musste er von sich aufgeben, um erfolgreich zu sein? Und wie würde er sich fühlen, wenn sich am Ende herausstellte, dass alles, wonach er jetzt so verbissen strebte, nichts als Illusion war, und dass es letztlich nur seine Ängste waren, die ihn antrieben? »Wenn man jung und noch nicht gefestigt ist, hört man gelegentlich auf Menschen, deren Vorstellungen und Ziele nicht den eigenen entsprechen«, erzählte Bruce Robert Hilburn von der Los Angeles Times einige Jahre später. »Wenn mir früher jemand gesagt hätte, dass ich [meine erste] Platte [fast komplett] ohne Gitarren aufnehmen würde, hätte ich ihm einen Vogel gezeigt. Ich hätte mir das im Leben nicht vorstellen können. Aber ich habe ein solches Album tatsächlich gemacht.« Das Einzige, das für ihn schlimmer war, als in den Augen seiner Geldgeber zu versagen, war die Angst, dass er zu viel von sich aufgegeben hatte, um so zu werden, wie sie ihn haben wollten.
    Im Frühjahr 1973 überraschte Appel Bruce am Telefon mit einer großartigen Nachricht: Columbias Hitlieferant Chicago (in deren Vorprogramm die Bruce Springsteen Band bereits 71 aufgetreten war, als sich Chicago noch Chicago Transit Authority nannten) hatte angeboten, sie auf ihrer Tour durch große Basketball-Arenen im Sommer als Vorgruppe mitzunehmen. Mit ihrem ersten Nummer-eins-Album und einer seit drei Jahren ungebrochenen Folge von Hitsingles stand die Jazzrockband auf der Höhe ihres Erfolges. Und Jim Guercio, der Manager und Produzent der Gruppe, wollte unbedingt etwas für Bruce tun, seit er ihn im Sommer 72 im Max’s Kansas City gesehen hatte. »Ich fand ihn einfach sagenhaft«, sagt Guercio. So sorgte er dafür, dass Bruce im Vorprogramm der nächsten US-Tour seiner Schützlinge auftreten konnte. »Ich war mir sicher, dass sie sich gut verstehen würden«, sagt Guercio.
    Zwar mussten sie bei ihrer Gage – tausend Dollar pro Abend – wieder einen kleinen Rückschlag einstecken (seit Mitte Februar verlangten sie in der Regel tausendfünfhundert Dollar pro Auftritt), und sie durften auch nur selten im Privatjet der

Weitere Kostenlose Bücher