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Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Titel: Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ames Carlin
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was auch immer. Da kamen ihm urplötzlich drei Worte in den Sinn: born to run .
    Der Titel eines schon fast vergessenen B-Movies? Der Airbrush-Schriftzug auf der Flanke eines 64er Chevys, den er in der Nähe der Ocean Avenue und der Kingsley Street in Asbury Park gesehen hatte? Bruce wusste es nicht mehr. Es war auch nicht wichtig. »Es gefiel mir, weil es von einer filmreifen Dramatik zeugte, die zu der Musik passte, die mir im Kopf herumschwirrte«, schrieb er Ende der 90er-Jahre. Er fand die Akkorde dazu, schrieb einen Text, der an das Liebe-Lust-und-Auto-Drama »Don’t Worry Baby« von den Beach Boys erinnerte, und überlegte, wie er von hier aus mit dem Song weitermachen könnte. Wie bei Brian Wilson (der mit dem Texter Roger Christian zusammengearbeitet hatte) waren auch bei Bruce die Straßen Wege, die zu großen Ideen und starken Gefühlen führten: »Die Autos interessierten mich nur insofern, als sie Vehikel für mein Songwriting waren.«
    In seiner Vorstellung brachte die Szene der illegalen Streetracer eine Form von Widerstand zum Ausdruck: Widerstand gegen die sozialen und ökonomischen Beschränkungen, die Unterprivilegierten, Jugendlichen und Außenseitern jede Chance nahmen, etwas aus ihrem Leben zu machen. »Jersey ist ein dreckiges Loch«, erklärte er Jerry Gilbert vom britischen Musikmagazin Sounds noch im selben Winter. »Ich meine, es ist okay, ich bin da zu Hause. Aber die Gegend ist einfach ein Drecksnest.« Diese noch von jugendlicher Undifferenziertheit zeugende Einschätzung verband sich mit Bruce’ Leidenschaft für den Rock’n’Roll. »Der Gedanke an Flucht, an raus hier, war naheliegend«, erklärte er Eve Zibart 1978 . Und er verband alles miteinander, von Chuck Berrys »School Days« bis zu Dylans »Stuck Inside of Mobile with the Memphis Blues Again«. »Dieser Song ist ein Befreiungsschlag. Es geht um den alltäglichen Stumpfsinn, dem man entfiehen möchte.«
    Fasziniert von einer lebhaften und sehr eindringlichen Version jenes Dramas, das seine Musik schon seit mehr als einem Jahrzehnt bestimmte, schüttelte Bruce all seine Alter Egos ab und stand nun allein im Zentrum des Geschehens; er setzte sich hinters Steuer und spürte, wie das Lenkrad in seinen Händen vibrierte.
In the day we sweat it out on the streets of a runaway American dream/At night we stop and tremble in heat/With murder in our dreams …
    Danach sprudelten die Worte förmlich aus ihm heraus: über die Surfer, die zitternd in den Flutwellen sitzen, über die Autos, die über den Highway 9 auf völlig identische Städtchen entlang der Küste zu brettern, über die aufgemotzten Hot Rods mit ihren grellen Metalliclackierungen, die in Asbury Park ihre Runden drehen. »Like animals pacing in a black, dark cage, senses on overload/They’re gonna end this night in a senseless fight/and then watch the world explode.« Alle haben sich rausgeputzt, doch es gibt keinen Ort, wo sie hingehen könnten.
It’s a death trap! A suicide rap! We gotta get out while we’re young/’Cause tramps like us, baby …
    Und dann kehrt alles wieder zurück zu diesen drei Worten und der ursprünglichen Erkenntnis, die ihnen zugrunde liegt und aus der sich der Song und alles, was folgte, überhaupt erst entwickelte:
… we were born to run.
    Es dauerte Monate, bis er den Text genau so zu Papier gebracht hatte, und er brauchte noch länger, um den grandiosen Wall-of-Sound-Klang hinzubekommen, den er im Ohr hatte. Dabei drang er bis zum Kern des Songs vor. Die Akkorde und die Melodie klangen so wahrhaftig, so unverfälscht, dass ihm bewusst war, hier auf etwas wahrhaft Großes gestoßen zu sein. Der Song besaß dieselbe Power wie »Thundercrack« und »Rosalita«, doch brachte er das, was diese beiden auszeichnete, viel konzentrierter auf den Punkt. »Das war der Wendepunkt«, schrieb Bruce später. »Das war der Knackpunkt, aus dem sich das gesamte Songwriting für den Rest des Albums ergab.«
    Am 8. Januar 1974 trafen sich Bruce, die Band und Appel erneut im 914 Sound Studio und tüftelten ein paar Tage lang an frühen Versionen von »Born to Run« und »Jungleland« herum. (Letztgenannter Song war ebenfalls neu und knüpfte mit seinem Setting, seinen Charakteren und der allwissenden Erzählperspektive an die beiden urbanen Balladen »Incident on 57th Street« und »New York City Serenade« an.) Danach folgte eine ungefähr einwöchige Schaffenspause, während derer die Band Konzerte gab. Einem zweiten kurzen Abstecher zum 914 folgten

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