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Bruchlandung

Bruchlandung

Titel: Bruchlandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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auf.
    »Einen Prospect hatten sie sich vorgenommen, Paul. Aber ich glaube, wir fangen mal ganz von vorn an, damit ihr beide zumindest rudimentäre Kenntnisse über die Struktur eines Black-Crows-Charters habt. Also am Anfang, oder besser gesagt auf der untersten Hierarchiestufe, stehen die Supporters. Das sind Menschen, die sich einfach für das Rockerleben interessieren, oftmals Motorradfahrer, aber ohne Mitgliedsstatus. Die meisten von denen wollen auch gar keine Mitglieder werden. Darüber tummeln sich die sogenannten Hangarounds. Wie der Name es schon sagt, sind das solche, die einfach nur rumhängen und dabei auch zu ziemlich üblen Arbeiten herangezogen werden. Putzen im Klubheim und so weiter. Wenn es gut läuft, den Saal, wenn es weniger gut läuft, die Klos.«
    Der OK-Mann verzog angewidert das Gesicht.
    »Na ja, muss ja auch gemacht werden, der Job. Als Hangaround besetzt man die Vorstufe zum Prospect, was wiederum die Vorstufe zum sogenannten Member, also dem Vollmitglied, ist. Erst als Member sind die blöden, erniedrigenden Zeiten dann wirklich vorbei, und man kann auf die neuen Hangarounds und Prospects runtergucken. Darüber gehen dann die interessanten Jobs los, die allerdings immer schwerer zu erreichen sind, wie Schatzmeister oder Verwaltungsmann. Natürlich gibt es auch dafür hinreißend zutreffende englische Bezeichnungen, aber die sparen wir uns an der Stelle, weil das definitiv zu weit führen würde. Interessant für uns ist einzig noch der President, also der Präsi, und eben jener Präsi der Kasseler Crows, der auf den bürgerlichen Namen Andreas Blatter hört, hat sich im letzten Juni einen dieser Prospects zur Brust genommen. Und weil man es als Rocker gern etwas pathetischer hat als Normalbürger wie du und ich, hat er den armen Kerl an den Herkules bestellt. Nachts natürlich, was bei dieser Blitzbirne nicht die Bohne an Zweifeln über die Rechtschaffenheit der Absichten ausgelöst hat. Also der Prospect kommt, es gibt ein kurzes Gespräch, und keine zwei Minuten später hängt der blöde Hund mit dem Kopf nach unten über einem mehr als 20 Meter hohen Abgrund. Natürlich schreit er wie am Spieß, was einen österreichischen Kollegen auf den Plan ruft, der mit seinem deutschen Gspusi, das er im letzten Skiurlaub aufgerissen hatte und gerade besucht, irgendwo dort oben am was-weiß-ich-machen ist.«
    »Wie ist das mit dem Kollegen zu verstehen?«, ging Hain dazwischen.
    »Na, er ist ein österreichischer Bulle. Ein Polizist.«
    »Aha. Und die Frau?«
    »Die ist nie ins Spiel gekommen, weil sie mit einer Aussage vermutlich ihre Ehe durch den Ausguss gespült hätte.«
    »Schlechte Menschen gibt es«, sinnierte der Oberkommissar, während er sich Notizen machte. »Und die Frauen immer ganz vorn an der Spritze.«
    »Das lass ich jetzt mal so stehen«, murmelte Lehmann grinsend, während sein kritischer Blick sich kurz mit dem von Lenz traf.
    »He, he, meine Frau war schon längst in der inneren Immigration, bevor sie ihren Mann verlassen hat«, rief der Leiter der Mordkommission mit gespielter Empörung. »Außerdem ist unsere hehre, romantische Liebesgeschichte was ganz anderes, die außerdem, wie du weißt, im Ehehafen geendet hat.«
    »Der Schoppen-Erich, so hört man, kann allerdings bis heute nicht über diese hehre, romantische Liebesgeschichte lachen.«
    Lehmann spielte auf Marias früheren Mann an, den Kasseler Oberbürgermeister Erich Zeislinger, der wegen seiner in der Stadt bekannten Vorliebe für Getränke, die nach dem deutschen Reinheitsgebot hergestellt wurden, Schoppen-Erich genannt wurde.
    »Aber wie auch immer, wir sind ja hier nicht zusammengekommen, um den Stab über Ehetorpedierern zu brechen«, feixte er, »sondern um euch in die Geheimnisse der Rockerzunft einzuweihen.«
    Wieder ein Schluck Tee. Wie der Kommissar so da saß, mit der Tasse in der Hand und dem völlig zufriedenen Gesichtsausdruck, hatte er etwas Buddhahaftes.
    »Also, der österreichische Kollege unterbricht, so stelle ich es mir zumindest vor, sein Freiluftliebesspiel, um dem armen Kerl, der von zwei Crows an den Füßen festgehalten und vom Präsi mit allerlei üblen Beschimpfungen bedacht wird, zu helfen und nähert sich dem Ort der Misshandlung. Als er dort ankommt, steht der Prospect schon wieder auf seinen eigenen Beinen, zumindest so etwas Ähnliches, weil die beiden ihn zwar immer noch festhalten, der Präsi aber seine schlagringbewehrte Hand immer und immer wieder mit voller Wucht ins Gesicht

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