Bruchlandung
Unkenntnis zu unterstellen, ist nicht fair, Frau Meyer«, beschwerte er sich lautstark. »Ich bin vielleicht nicht so versiert wie Sie, was den Umgang mit Fluglinien betrifft, aber ein wenig auskennen tue ich mich schon, nicht wahr.«
Die Geschäftsführerin blieb trotz seiner erhobenen Stimme völlig ruhig.
»Das will ich auch gar nicht in Abrede stellen, Herr Oberbürgermeister«, entgegnete sie. »Aber es ist auch nicht fair von Ihnen, mir zu unterstellen, ich würde meinen Job nicht gut machen. Was zum Beispiel würden Sie denn den Leuten von Ryanair sagen, wenn Sie mit denen ins Geschäft kommen wollten? Und an wen genau würden Sie sich eigentlich wenden?«
Der OB schluckte erneut.
»Da müsste ich mich natürlich zuerst ein wenig in die eigentliche Materie einarbeiten, Frau Meyer. Aber denken Sie mal nicht, dass es mir als Oberbürgermeister einer Stadt mit fast 200.000 Einwohnern nicht gelänge, mit denen einen für alle Seiten vorteilhaften Vertrag aufzusetzen.«
Paula Meyer schüttelte genervt den Kopf.
»Gar nichts würden Sie zustande bringen, mein lieber Herr Oberbürgermeister einer Stadt mit fast 200.000 Einwohnern . Mister O’Leary, von dem wir hier reden, würde Ihnen nämlich noch nicht mal am Telefon zuhören, wenn Sie nicht gleich ein paar Millionen an Subventionen in seine Richtung schleudern würden. Und dann müssten Sie einen Vertrag unterschreiben, der dem eigenen Todesurteil mehr als nahekommt.«
Sie drückte die halb gerauchte Zigarette aus und warf ihrem Gesprächspartner einen vernichtenden Blick zu.
»Das ist die Realität, und jetzt verschonen Sie mich bitte mit weiteren Ratschlägen, und seien sie auch noch so gut gemeint.«
Zeislinger war während ihrer letzten Sätze puterrot angelaufen und verspürte wieder dieses enervierende Piepen in den Ohren, ein Andenken an ein Ereignis vor eineinhalb Jahren, bei dem er von einem durchgeknallten Priester fast totgeschlagen worden war.
»Nun muss ich Sie aber zur Mäßigung rufen!«, bellte er. »So können Sie nicht mit mir reden, das lasse ich mir weder von Ihnen noch von sonst jemandem bieten.«
Die Frau vor dem Schreibtisch senkte den Blick und nickte demütig.
»Das war nicht richtig von mir, das sehe ich ein. Und deshalb bitte ich Sie auch um Verzeihung für meine harten, keinesfalls zutreffenden Worte, Herr Zeislinger.«
Der Oberbürgermeister streckte seinen Arm über den Tisch und hielt ihr seine Hand hin, die sie gern ergriff.
»Das muss doch wirklich alles nicht sein, Frau Meyer«, flötete er, »dass wir uns hier so angiften. Wir sitzen doch schlussendlich im gleichen Boot, nicht wahr?«
Ihr ergebenes Nicken weckte im Oberbürgermeister der Stadt Kassel augenblicklich den Beschützerinstinkt.
»Ist es denn wirklich so schwer, mit diesen Billigfluglinien ins Geschäft zu kommen?«, wollte er halblaut wissen.
Wieder dieses Nicken.
»Das heißt, dass wir uns am Flughafen Kassel-Calden auch in Zukunft nicht mit denen einlassen sollten?«
»Auf gar keinen Fall. Das würde unseren Ruin bedeuten.«
Zeislinger drückte ihre Hand etwas fester.
»Na, na, wirklich gleich den Ruin?«
»Wirklich gleich den Ruin. Und wir müssten denen praktisch alles ohne Gegenleistung bieten. Zahlen will Ryanair nämlich nichts.«
»Aber die können doch nicht mit dieser Masche seit so vielen Jahren dermaßen erfolgreich sein? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, Frau Meyer.«
»Es ist aber genau so«, erwiderte sie, nun wieder etwas gefasster. »Ryanair saugt die Flughäfen, auf denen sie landet, aus, bis diese völlig trocken oder gleich gar insolvent sind. Dann zieht die Gesellschaft einfach weiter zum nächsten Kandidaten.«
»Also ist mit denen kein Gewinn zu erwarten?«
Paula Meyer lachte laut auf.
»Der Einzige, der bei Geschäften mit Ryanair Gewinn macht, ist Ryanair. Das war schon immer so und das wird auf absehbare Zeit auch so bleiben, glauben Sie mir.«
Zeislinger sah sie nachsichtig an.
»Das heißt, Sie müssen mit anderen Fluggesellschaften ins Geschäft kommen?«
»Das heißt es, ja.«
»Aber Sie wollen mir nicht erzählen, um welche es sich dabei handelt?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Das geht wirklich nicht, zumindest im Augenblick noch nicht. Aber ich verspreche Ihnen, dass Sie der Erste sind, der davon erfährt, sobald es etwas gibt.«
»Das wäre wirklich schön«, flötete er und verstärkte erneut den Druck auf ihre Hand um eine Nuance. »Und es wäre obendrein auch noch sehr
Weitere Kostenlose Bücher