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Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Titel: Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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etwas zu sagen, denn immer spricht ein anderer für sie. Ich wäre beruhigt, wenn Ihr, Ehrwürdiger Vater, nur ein einziges Mal unter vier Augen mit ihr sprechen könntet, so daß sie Gelegenheit hat, frei auszusprechen, was sie fühlt und denkt.«
    Nach kurzem Nachdenken gab der Abt mit ernstem Gesicht zu: »Was Ihr sagt, hat einiges für sich. Vielleicht ist es nur übermäßige Fürsorge, die sie so einengt, aber nichtsdestoweniger sollte sie selbst gehört werden. Wie wäre es, wenn ich dem Gästehaus einen Besuch abstatten würde?
    Vielleicht ergäbe sich dann eine Gelegenheit, allein mit ihr zu sprechen. Auch mich würde das beruhigen. Ich will Euch nicht verschweigen, daß Sir Godfrid mir versichert hat, dieser junge Edelmann habe den freien Zutritt zum Haus, der ihm als Knappe seines Herrn gewährt wurde, dazu mißbraucht, dem bis dahin mit allem einverstandenen Mädchen den Hof zu machen und ihm mit Aufmerksamkeiten und Komplimenten den Kopf zu verdrehen. Wenn es sich so verhält, dann werden die Vorkommnisse des heutigen Morgens ihr die Augen geöffnet und Anlaß gegeben haben, ihr Verhältnis zu ihm zu überdenken.«
    Den Worten und dem Verhalten des Abtes war nicht zu entnehmen, ob er dem, was seine Augen gesehen hatten, glaubte und den Diebstahl als erwiesen betrachtete. Radulfus war zu scharfsinnig, um nicht auch andere Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen.
    »Ich habe vor«, fuhr er fort, »den Bräutigam und seinen Neffen sowie Sir Godfrid Picard für heute abend zum Essen einzuladen, und ich könnte die Einladung selbst überbringen.
    Warum sollte ich es nicht gleich tun?«
    Ja, warum nicht? Insgeheim zufrieden mit dem Verlauf des Gesprächs trat Cadfael gemeinsam mit dem Abt hinaus in den nebligen Herbstnachmittag. Radulfus war ein Aristokrat, dessen Stellung der eines Barons entsprach, und er hatte eine strenge Auffassung von der Pflicht junger Leute, sich von den Menschen leiten zu lassen, die als Autorität über sie eingesetzt waren. Er war jedoch keineswegs blind für die Tatsache, daß Eltern oder Erzieher, die mit diesem Privileg ausgestattet waren, oft nicht zum Besten der Kinder handelten. Wenn er Gelegenheit hatte, nur für einige Augenblicke mit Iveta unter vier Augen zu sprechen, würde er gewiß ihr Vertrauen gewinnen. Eine solche Gelegenheit würde sie nicht verstreichen lassen. In diesem Kloster war er der Herr, und wenn er seine Hand schützend über sie hielt, würde nicht einmal ein König es wagen, etwas zu unternehmen.
    Sie gingen durch den Garten des Abtes auf den großen Hof und wandten sich dem Gästehaus zu. Cadfael hätte sich verabschiedet und wieder in seinen Garten begeben, aber sein Blick fiel auf Iveta, die auf einer Bank am Refektoriumsgebäude saß und in einem Gebetbuch las, das sie auf den Knien hielt.
    Ihr blondes Haar leuchtete im fahlen Licht der Sonne. Die Situation strafte alles, was Cadfael eben gesagt hatte, Lügen: sie war allein, und niemand vom Haushalt ihres Onkels war in der Nähe.
    Radulfus ging auf sie zu. Vielleicht hatte sie das Rascheln seiner Kutte gehört - er bemühte sich nicht, sich ihr geräuschlos zu nähern -, denn sie sah auf, und ihr Gesicht war vollkommen ruhig. Ihre Haut war so blaß, daß es schwer zu sagen war, ob sie bleicher als gewöhnlich war, aber als sie den Abt auf sich zukommen sah, lächelte ihr Mund, und sie erhob sich, um ihn zu begrüßen. Cadfael hielt sich dicht hinter Radulfus. Er konnte kaum glauben, geschweige denn verstehen, was er sah.
    »Es freut mich, Euch so ruhig und gefaßt zu sehen, meine Tochter«, sagte Radulfus sanft. »Ich fürchtete, die Aufregungen des heutigen Morgens hätten Euer Herz beschwert, und das ausgerechnet jetzt, da Ihr vor einem so wichtigen und feierlichen Schritt steht und Ruhe und Muße braucht, um Euch über Eure Zukunft klar zu werden. Ich glaube, Ihr hattet eine höhere Meinung von diesem jungen Mann, als er verdiente, und wart auf eine solche Entdeckung nicht vorbereitet. Gewiß bereitet Euch das Kummer.«
    Sie sah ihn mit offenem Gesicht und ruhigen, aber leeren Augen an und sagte: »Ja, Ehrwürdiger Vater, ich habe nie schlecht über ihn gedacht. Aber ich habe meine Zweifel jetzt überwunden. Ich weiß, was meine Pflicht ist.« Ihre Stimme war sehr leise, aber fest und entschlossen.
    »So macht Ihr Euch keine trüben Gedanken über die morgige Hochzeit? Auch ich, mein Kind, habe eine Pflicht gegenüber allen, die sich hier aufhalten. Ein jeder, der will, kann zu mir kommen. Wenn Ihr

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