Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
der ihm zu früh eine Ahnung vom Bösen in der Welt gegeben hätte.
Cadfael schob Edmund beiseite, trat vor und kniete neben dem reglosen Körper nieder, und einen Augenblick später folgte Edmund ihm und kniete auf der anderen Seite. Er war es gewöhnt, alten Menschen beim Sterben Beistand zu leisten, aber dabei handelte es sich um einen Tod, der durch hingebungsvolle Pflege und die Anwesenheit vertrauter, geliebter Menschen so sanft wie möglich sein sollte. Dieses abrupte Ende eines Mannes in der Blüte seiner Jahre aber erschreckte und entsetzte ihn. Die beiden Novizen und der Laienbruder, die ihnen gefolgt waren, traten näher heran und blieben schweigend stehen.
»Ist er tot?« fragte Bruder Edmund und im selben Moment wurde ihm bewußt, wie töricht diese Frage war.
»Seit einigen Stunden schon, wahrscheinlich seit dem Morgengrauen. Er fühlt sich kühl an, aber noch nicht kalt.«
Cadfael fuhr mit der Hand unter den schweren Kopf, um ihn anzuheben, und spürte klebriges, geronnenes Blut. Hoch auf dem Hinterkopf, hinter dem linken Ohr und über dem Haarkranz, der den kahlen Schädel umgab, fand er eine Platzwunde, aus der das jetzt langsam trocknende Blut geflossen war. Dort, wo der Kopf gelegen hatte, und noch eine Handbreit darüber, fanden sich auf der Rinde der Eiche blutverschmierte Spuren des Aufschlags. Vorsichtig tastete Cadfael die Wunde ab, konnte aber keine Stelle entdecken, die einem Druck nachgab - der Schädelknochen schien unverletzt geblieben zu sein.
»Er hat einen schweren Sturz vom Pferd getan«, vermutete Edmund, der ihm zusah, »und ist mit dem Kopf gegen diese Wurzel geschlagen. Könnte ein solcher Sturz ihn getötet haben?«
»Das wäre möglich«, sagte Cadfael geistesabwesend, hielt es aber für verfrüht, zu sagen, daß Domvilles Tod nicht auf den Sturz zurückzuführen war.
»Und dann hat er hier bewußtlos in der Kälte gelegen...«
»Nein, er war nicht die ganze Nacht hier«, sagte Cadfael.
»Das Gras unter ihm ist feucht vom Tau. Und wenn er gestürzt ist, dann rückwärts, und nicht nach vorn. Sein Pferd ist nicht gestrauchelt.« Der Leichnam lag nämlich schräg über dem Pfad, der Kopf ruhte an einem Baum rechts davon, und die Beine waren in Richtung des Baches ausgestreckt. »Es ist am frühen Morgen geschehen, und er wurde nach hinten aus dem Sattel geschleudert. Gewiß war er auf dem Rückweg zum Haus des Bischofs. Der Weg ist gut, jedenfalls für einen, der ihn kennt, aber ich vermute, daß es schon begann, hell zu werden, denn der schwere Sturz deutet darauf hin, daß er schnell geritten ist.«
»Sein Pferd wird sich aufgebäumt haben«, sagte Bruder Edmund. »Vielleicht hat irgendein kleines Tier es erschreckt...«
»Schon möglich.« Cadfael ließ Domvilles Kopf sinken, so daß er wieder dort ruhte, wo die Rinde des Baumes vom Blut verkrustet war. »Seit dem Sturz hat er sich nicht mehr bewegt«, sagte er mit Bestimmtheit. »Nur die Absätze seiner Stiefel haben sich hier im Todeskampf tief in den Boden gegraben.«
Ohne den Leichnam weiter zu untersuchen, erhob er sich, schritt auf dem Weg auf und ab und musterte die Bäume, die den Weg säumten. Einer der Novizen war umgekehrt und ging den Männern des Sheriffs entgegen, die gewiß vom Haus des Bischofs aufgebrochen waren, sobald der Junge mit Domvilles Pferd dort eingetroffen war. Man würde eine Bahre oder eine ausgehängte Tür brauchen, um den Leichnam zu transportieren. Cadfael entfernte sich einige Meter weit auf dem Weg und ging dann langsam auf die große Eiche zu, wobei er alle Bäume rechts und links des Weges ein gutes Stück über seinem Kopf eingehend untersuchte. Edmund sah ihm verständnislos zu.
»Wonach suchst du, Cadfael?«
Aber was immer es auch gewesen war - er hatte es bereits gefunden. Etwa vier Schritte von den Füßen des Toten entfernt blieb er stehen und betrachtete zwei Bäume, die einander gegenüber standen.
»Kommt her und seht euch das an, damit ihr es später bezeugen könnt.«
An jedem der Bäume war in derselben Höhe ein dünner Einschnitt in der Rinde zu erkennen.
»Zwischen diesen Bäumen war ein Seil gespannt - genau in Höhe der Kehle eines mittelgroßen Mannes auf einem großen Pferd, obwohl es ihn auch hätte stürzen lassen, wenn es in Brusthöhe angebracht gewesen wäre. Der Weg ist gut, und es war hell genug - also ritt er wahrscheinlich in einem leichten Galopp, denn sonst wäre er nicht mit solcher Wucht vom Pferd geschleudert worden. Ihr seht ja, wie weit er
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