Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
machten keinen sehr unternehmungslustigen Eindruck und waren in ein ernstes Gespräch vertieft. Die Knechte führten die meisten der Pferde aus den Ställen. Es sah so aus, als sei die Suchmannschaft bereits zusammengestellt und werde gleich ausrücken.
Und so geschah es. Unter den Männern, die hintereinander zum Tor hinaus und in Richtung Stadt ritten, war auch Guy, der ein mißmutiges Gesicht machte. Simon jedoch ritt nicht mit ihnen. Er stand immer noch vor dem Hauptportal, sah den anderen nach und schien auf etwas zu warten. Der zweite Stall, der für die Tiere des Bischofs reserviert war, befand sich auf der anderen Seite des Gebäudes, so daß Joscelin nicht sehen konnte, was dort vor sich ging, aber er spitzte die Ohren, als er eiligen Hufschlag hörte, der sich von dort näherte. Einen Augenblick später sah er seinen Grauschimmel Briar in so scharfem Trab um die Ecke biegen, daß der schwitzende Pferdeknecht, der ihn am Halfter führte, kaum Schritt halten konnte. Simon ging auf ihn zu, klopfte dem Pferd auf Hals und Schulter und strich ihm liebkosend über die Nüstern.
Dankbarkeit durchströmte Joscelin. Trotz all dieser Aufregung hatte sein Freund daran gedacht, dass der Hengst untätig im Stall stand und Bewegung brauchte. Was er zu dem Knecht sagte, war nicht zu verstehen, aber die Gesten, mit denen er auf das Pferd und dann auf das Tor zeigte, waren eindeutig:
»Sattle ihn und führ ihn hinaus!« Joscelin wartete noch etwas, um sich davon zu überzeugen, daß der Knecht den Befehl ausführte, kletterte dann von seinem Baum und schlich im Schutz der Büsche vorsichtig zur Straße, wo er das Tor im Auge behalten konnte. Und da kamen sie. Briar tänzelte ungeduldig und war kaum zu halten. Der Knecht führte ihn hinaus, band die Zügel an einen der Ringe, die vor dem Trittstein an der Mauer befestigt waren, und ging dann wieder in den Hof. Eine bessere Gelegenheit hätte sich nicht ergeben können. Sobald er den Kies unter den Füßen des Knechtes knirschen hörte, kam Joscelin hinter seinem Busch hervor und rannte an der Mauer entlang auf Briar zu, der ihn mit einem freudigen Wiehern begrüßte. Er durfte keine Zeit verlieren, aber ausgerechnet in diesem Augenblick tauchten auf der Straße drei Reiter auf, und er mußte sich mit dem Rücken zur Straße neben das Pferd stellen und die Zügel halten, als sei er einer der Knechte, der auf seinen Herrn wartete. Diese kleine Verzögerung gab ihm jedoch Gelegenheit, Briar zu beruhigen, so daß der Hengst still hielt, als Joscelin den Pergamentstreifen in seine Stirnmähne knotete.
Die Reiter waren weitergeritten, die Straße war frei, und auch auf dem Pfad zwischen den Bäumen war niemand zu sehen.
Joscelin riß sich von seinem vorwurfsvoll wiehernden Hengst los, rannte wie ein Hase auf der Flucht in Deckung und blieb erst stehen, als er sich wieder ein gutes Stück in Richtung Saint Giles vorgearbeitet hatte.
Es war vollbracht, und er wagte nicht, stehenzubleiben, um zu sehen, ob Simon seine Nachricht bemerkt hatte, denn inzwischen war es taghell geworden, und die Straße war belebt.
Er mußte sich so schnell wie möglich wieder den blauen Mantel überstreifen, der ihn als Aussätzigen auswies und einen besseren Schutz bot als jede Waffe, da sich ihm, aus Angst vor Ansteckung, niemand freiwillig nähern würde. Er konnte nur beten, daß sein Freund - dem der Knoten in Briars Mähne gewiß bald auffiel - den Zettel finden und tun würde, um was er ihn bat. Sein Plan, überlegte Joscelin, bot ihm wenigstens eine gewisse Sicherheit, denn wenn er sich zur verabredeten Zeit bis zu den Büschen gegenüber den Feldern des Klosters vorgearbeitet hatte und Briar nicht dort angebunden fand, dann bedeutete das, daß Simon seine Botschaft nicht gefunden hatte oder irgend etwas anderes dazwischen gekommen war. In diesem Fall würde er sich wieder zurückziehen und sich einen anderen Plan ausdenken. Aufgeben, aufgeben aber würde er nicht - nicht solange Iveta keinen anderen Vormund hatte und behandelt wurde, wie sie es verdiente.
Inzwischen aber durfte er kein Risiko eingehen und mußte die Zeit bis zum Abend ruhig und unauffällig in Saint Giles verbringen.
In einem Gestrüpp am Rand des Grundstücks, auf dem das Hospital stand, hielt er inne. Mit einem Mal wurde ihm bewußt, wie gefährlich es war, sich am hellichten Tag ohne Mantel und Gesichtstuch zu zeigen. Plötzlich kam hinter einem Gebüsch eine kleine Gestalt auf ihn zu, die unter einem Arm ein
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