Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
und sie ein anderes Mal so gütig in diese kalte, unfreundliche Welt zurückgeholt hatte, war ein Freund, auch wenn sie in letzter Zeit nicht mehr mit ihm hatte sprechen können. Und dann war da noch Simon. Auf ihn konnte sie sich verlassen, denn auch er glaubte nicht, daß Joscelin ein Verbrechen begangen hatte.
Wenn sich eine Gelegenheit ergab, würde er ihnen helfen.
Iveta konzentrierte sich auf ihre Stickarbeit und saß ganz still, erst recht, nachdem sie den leisen Klang von Stimmen aus dem Nachbarzimmer gehört hatte. Die Wände hier waren dick und ließen kaum Geräusche durch, und sie glaubte nicht, daß Madien irgend etwas bemerkt hatte. Daher gab Iveta sich Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. Aber sie hatte sich nicht getäuscht: Ihr Onkel hatte eine Auseinandersetzung. Das schloß sie aus dem energischen Nachdruck in seiner Stimme, die nicht laut, sondern im Gegenteil gefährlich leise schien.
Einzelne Worte waren nicht zu verstehen. Die andere Stimme klang jünger und weniger vorsichtig. Der Mann, zu dem sie gehörte, verteidigte sich leidenschaftlich, und er schien erschrocken, ja bestürzt, als sei dies aus heiterem Himmel über ihn hereingebrochen. Immer noch konnte sie keine Worte verstehen - sie ahnte lediglich, daß nebenan ein heftiger Streit im Gange war. Aber jetzt nannte die zweite Stimme einen Namen, dessen Erwähnung ihr das Herz schwer machte. Was mochte zwischen ihrem Onkel und Simon vorgefallen sein?
Denn es war ja mit Sicherheit Simons Stimme, die sie hörte.
Mißtraute ihr Onkel jedem jungen Mann in ihrer Nähe? Sie wußte nur zu gut, daß sie für ihn ein Kapital darstellte, das er beschützen mußte: Ihn interessierten an ihr nur die Besitztümer, die sie selbst als Belastung empfand, und der Nutzen und der Profit, den er aus ihr ziehen konnte. Und doch war Simon gestern noch ein geehrter, willkommener Gast gewesen, den Tante Agnes mit ihrem süßesten Lächeln begrüßt hatte.
Madien stickte an einer leinenen Haube für sich selbst und achtete nicht auf das, was nebenan vor sich ging. Sie war viel älter als Iveta, und ihr Gehör war nicht so gut - wahrscheinlich hörte sie nichts weiter als ein Stimmengemurmel.
Und selbst das war jetzt verklungen. Eine Tür wurde geschlossen. Iveta glaubte, von nebenan ein neues, gedämpftes Gemurmel zu vernehmen. Dann öffnete sich nach einem kurzen, leisen Klopfen die Tür ihres eigenen Zimmers, und Simon trat ein, als habe er das Recht dazu. Iveta wußte nicht, was sie tun sollte - sie konnte ihn nur ansehen, er aber traf sogleich den richtigen Ton.
»Guten Morgen, Iveta!« sagte er unbekümmert. Und zur Zofe: »Würdet Ihr uns einen Augenblick allein lassen?«
Madien hatte das freundliche Lächeln, mit dem Agnes Simon bedacht hatte, noch in guter Erinnerung; der junge Mann stand in der Gunst ihrer Herrin. Sie nahm ihre Näharbeit, verbeugte sich ebenso freundlich wie am Vortag und verließ das Zimmer.
Sie hatte kaum die Tür hinter sich geschlossen, als Simon schon neben Iveta kniete. Trotz seiner disziplinierten Ruhe war sein Gesicht gerötet. Er atmete heftig, und seine Nasenflügel bebten.
»Hört gut zu, Iveta, denn sie werden mich nicht mehr zu Euch lassen... Wenn sie ihnen erzählt, daß ich hier bin, werden sie mich hinauswerfen. Ich habe eine Nachricht für Euch von Joss!« Ängstlich besorgt öffnete sie den Mund zu einer Frage, aber er legte einen Finger auf ihre Lippen und flüsterte eilig: »Er bittet Euch, heute abend nach dem Vespergottesdienst in den Kräutergarten zu kommen. Ich werde sein Pferd auf der anderen Seite des Baches bereitstellen. Enttäuscht ihn nicht - auch ich werde ihn nicht enttäuschen. Habt Ihr verstanden?«
Fast sprachlos vor Verwunderung, Freude und Sorge nickte sie. »Ja! Ach, Simon, ich würde alles für ihn tun! Gott segne Euch dafür, daß Ihr ein so treuer Freund seid! Aber was ist mit Euch... Was ist passiert? Was haben sie plötzlich gegen Euch?«
»Ich habe Joss verteidigt. Ich habe gesagt, daß er kein Mörder und kein Dieb ist und daß ich ihn von allen Anschuldigungen reinwaschen werde, so daß sie alles werden zurücknehmen müssen, was sie gegen ihn vorgebracht haben.
Sie haben mich hinausgeworfen und wollen nichts mehr mit mir zu tun haben. Aber hier ist seine Botschaft..., seht!« Sie erkannte die Schrift und las atemlos die Zeilen, die Joscelin niedergeschrieben hatte. Ehrfürchtig strich sie über das Pergament, als sei es eine Reliquie, gab es ihm aber schließlich
Weitere Kostenlose Bücher