Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
Wagner finden könne.
»Ihr sucht Ulger?« fragte sie, lehnte sich mit einem stämmigen Arm auf den Zaun und betrachtete ihn mit freundlicher Neugier. »Sein Haus steht dort drüben, hinter dem Weiher - ihr erkennt es an dem Holzstoß rechts von der Straße.
Auf seinem Hof steht ein Wagen mit einem gebrochenen Rad.
Wahrscheinlich ist er dabei, es zu reparieren.«
Cadfael dankte ihr und ritt weiter. Hinter dem Weiher, auf dem Enten schnatternd umherschwammen, sah er den Holzstapel, und gleich darauf stand er vor dem Haus des Wagners, an das eine mit Werkzeug gut ausgestattete Werkstatt mit einem Speicher und einer Dachstube angebaut war. Im Hof war ein Wagen aufgebockt, an dem ein Rad fehlte.
Die zerbrochenen Hälften lagen auf dem Boden, mehrere Speichen waren zersplittert, und nur die eiserne Felge war unversehrt und konnte wiederverwendet werden. Eine neue Nabe aus Ulmenholz, in der bereits die Speichen steckten, lag wie ein Stern im Gras, und der Wagner, ein bärtiger, muskulöser, untersetzter Mann von etwa fünfundvierzig Jahren, bearbeitete mit einem Hohlbeil ein gekrümmtes Stück Eschenholz für den Radkranz, wobei er der Maserung folgte.
»Möge Gottes Segen auf Eurer Arbeit ruhen!« sagte Cadfael und stieg von seinem Maultier. »Wenn Ihr Ulger seid, dann seid Ihr es, den ich suche. Ich hatte allerdings einen älteren Mann erwartet.«
Der Wagner legte sein Hohlbeil beiseite und erhob sich. Dies war sein Reich, und seine Bewegungen zeugten von Selbstbewußtsein. Neugierig betrachtete er seinen Besucher.
Er hatte ein rundes, gutmütiges Gesicht, das aber auch eine zurückhaltende Würde verriet. »Mein Vater hieß auch Ulger und war ebenfalls Wagner für dieses und die umliegenden Dörfer.
Vielleicht war er es, den Ihr gesucht habt - aber er ist vor einigen Jahren gestorben, Gott sei seiner Seele gnädig! Die Werkstatt und das Haus gehören jetzt mir.« Und nach einer kurzen, eingehenden Musterung fuhr er fort: »Ihr kommt vom Benediktinerkloster in Shrewsbury. Auf die eine oder andere Art erfahren wir so einiges.«
»Wir haben unsere Sorgen, wie Ihr gewiß schon gehört habt«, sagte Cadfael. Er warf den Zügel über einen Zaunpfosten, schüttelte seine Kutte aus und streckte seinen Rücken. »Ich werde Euch die Wahrheit sagen, wie ich es auch von anderen erwarte. Huon de Domville wurde am Morgen seines Hochzeitstages ermordet, und in seinem Jagdhaus nicht weit von hier hatte er eine Geliebte. Auf dem Heimweg von ihr fiel er in einen Hinterhalt, und sie ist nicht mehr in jenem Haus.
Man sagt, ihr Name sei Avice von Thornbury, Tochter jenes Ulger, der auch Euer Vater war. Domville hat sie in dieser Gegend kennengelernt und mitgenommen. Ich glaube nicht, daß ich Euch irgend etwas sage, das Ihr nicht schon wißt.«
Ein Schweigen trat ein. Das Gesicht des Wagners war, trotz aller naiver Offenheit, plötzlich hart geworden. Er sagte kein Wort.
»Es ist weder meine Aufgabe noch meine Absicht«, sagte Cadfael schließlich, »Eure Schwester einer Gefahr auszusetzen. Gleichwohl mag es sein, daß sie etwas weiß, das der Gerechtigkeit dienen kann. Von ihrer Aussage hängt nicht nur die Bestrafung des Schuldigen, sondern vielleicht auch das Leben eines Unschuldigen ab. Ich möchte lediglich mit ihr sprechen. Sie hat in Domvilles Jagdhaus ihr Pferd und wahrscheinlich noch andere Dinge zurückgelassen, die ihr gehören. Sie ist zu Fuß verschwunden, und ich glaube, daß sie hierher, zu ihrer Familie gegangen ist.«
»Es ist lange her«, sagte Ulger nach einem langen Schweigen, »daß ich eine Schwester hatte. Schon lange betrachtet Avice von Thornbury mich und die Meinen nicht mehr als ihre Familie.«
»Das verstehe ich«, sagte Cadfael. »Und dennoch - Blut ist dicker als Wasser. Ist sie hierher gekommen?«
Ulger sah ihn ernst an und gab sich einen Ruck. »Ja.«
»Vor zwei Tagen? Kurz nachdem sich herumgesprochen hatte, daß Huon de Domville tot ist?«
»Ja, sie kam vor zwei Tagen, am späten Nachmittag. Sie hatte von diesem Mord erfahren, aber wir wußten noch nichts davon.«
»Wenn sie hier ist«, sagte Cadfael, »muß ich mit ihr sprechen.« Er sah zum Haus, aus dem eine hübsche, robuste Frau getreten war, die bei seinem Anblick gleich wieder drinnen verschwand. In einem Winkel des Hofes war ein etwa vierzehnjähriger Junge dabei, Speichen aus Eichenholz für ein leichteres Rad abzuschleifen. Das mußten Ulgers Frau und Sohn sein. Sonst war niemand zu sehen.
»Sie ist nicht hier«, sagte Ulger.
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