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Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Titel: Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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mir, anzunehmen, daß es diese Fähigkeit, andere in Erstaunen zu versetzen, war, die Huon de Domville für Euch eingenommen hat?«
    »Ihr werdet es kaum glauben«, sagte Avice, lehnte sich mit einem Seufzer zurück und faltete ihre breiten, hübschen Hände vor ihrem Bauch, »aber ich kann mich kaum daran erinnern. Ich weiß jedoch noch, daß ich schlau und ehrgeizig genug war, um zuzugreifen, als jemand des Wegs kam, der mich aus jenem armseligen kleinen Dorf herausholte und bereit war, für mein Leben aufzukommen. Ich bin immer noch schlau und ehrgeizig, und ich glaube, für eine Frau meines Alters und meiner Vergangenheit ist der Entschluß, den ich gefaßt habe, der beste.«
    Sie hatte weit mehr gesagt, als die Worte ausdrückten, und wußte auch sehr gut, daß er alles verstanden hatte. Sie hatte sofort erkannt, daß ein Lebensabschnitt zu Ende gegangen war, und da sie inzwischen nicht nur zu alt für eine zweite Liaison war, sondern auch zu klug, um eine solche Verbindung zu wollen, und vielleicht zu treu, um diesen Gedanken nach so vielen Jahren mit Huon de Domville überhaupt in Erwägung zu ziehen, hatte sie sich nach einem anderen Betätigungsfeld für ihre Kraft und ihre Energie umgesehen. Angesichts ihrer Vergangenheit durfte sie an eine normale Ehe nicht einmal denken. Welcher Weg stand ihr also noch offen?
    »Ihr habt recht«, sagte Avice ruhig und gelassen. »Ich habe die Zeit, in der ich auf Huon wartete, gut genutzt, und ich habe oft gewartet, manchmal wochenlang. Ich kann lesen, schreiben und rechnen, ich beherrsche viele Fertigkeiten, und ich muß einsetzen, was ich habe und was ich kann. Meine Schönheit ist vergangen - sie war nie besonders bemerkenswert -, und es ist unwahrscheinlich, daß jemand mich begehrt und mich aushält.
    Huon hatte nie etwas an mir auszusetzen. Er war an mich gewöhnt. Wenn er anderer Frauen überdrüssig war, kam er zu mir.«
    »Habt Ihr ihn geliebt?« fragte Cadfael. Sie war ihm gegenüber so offen, daß er glaubte, diese Frage stellen zu dürfen, ohne indiskret zu sein. Avice dachte lange nach.
    »Nein, ich kann nicht behaupten, daß ich ihn geliebt hätte - das war nicht das, was er wollte. Nach all diesen Jahren war sicher eine gewisse Wärme zwischen uns. Wir hatten uns aneinander gewöhnt, weil wir einander entsprachen, und diese Gewöhnung ließ nicht nach. Manchmal haben wir nicht einmal miteinander geschlafen«, sagte die zukünftige Nonne nachdenklich. »Wir haben nur zusammengesessen und Wein getrunken, Schach gespielt - das hat er mir beigebracht - oder fahrenden Sängern zugehört. Oder wir haben am Kamin gesessen, er mit einem Glas Wein und ich mit einer Stickarbeit.
    Manchmal haben wir uns nicht einmal gestreichelt oder berührt, obwohl wir im selben Bett schliefen.« Wie ein alter, verheirateter Lord und seine einfache, liebevolle Frau. Aber das war vorbei, und sie war ein Mensch, der Tatsachen ins Auge sah. Sie hatte aufrichtig um ihren toten Geliebten getrauert, auch wenn sie ihre weitere Zukunft plante und sich tatkräftig daran machte, ihre Pläne in die Wirklichkeit umzusetzen. Ihre Intelligenz brauchte ein Betätigungsfeld. Die Möglichkeiten, die sie in ihrer Jugend gehabt hatte, waren dahin, aber sie hatte andere gefunden.
    »Und doch kam er am Vorabend seines Hochzeitstages zu Euch«, sagte Cadfael. Und die Braut ist achtzehn Jahre alt, schön, fügsam und verfügt über große Besitztümer, setzte er in Gedanken hinzu.
    Sie beugte sich über den Tisch. Ihr Gesicht war sanft, und ihre Augen schienen nach innen zu blicken, als denke sie mit Verwunderung und ohne Leidenschaft über die Eigenarten der menschlichen Seele nach, die so eigensinnig ist und doch so oft den eingefahrenen Wegen folgt.
    »Ja, er ist gekommen. Es war das erste Mal, seit wir hier in Shrewsbury waren, und zugleich auch das letzte Mal, daß wir uns überhaupt gesehen haben. Der Vorabend seines Hochzeitstages... Ja, eine Hochzeit ist ein Geschäft, nicht wahr? Nicht anders als ein Konkubinat! Liebe - ja, das ist etwas anderes, das hat mit beidem nichts zu tun. Ich hatte ihn erwartet. An meiner Stellung hätte sich nichts geändert, wenn Ihr versteht, was ich meine.«
    Bruder Cadfael verstand. Die Geliebte, die Huon de Domville sich seit zwanzig Jahren hielt, hätte sich nicht von einer Frau verdrängen lassen, die er gekauft hatte wie alle seine Frauen und die sechsundzwanzig Jahre jünger war als sie. Sie lebten in zwei verschiedenen Welten, und die Geliebte hatte ihre

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