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Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Titel: Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Sie hatte ihm schweigend ihr schmutziges, müdes, hilfloses Gesicht zugewandt. Schon der Ton seiner Stimme gab ihr Trost. »Ich bin beim Torhaus, in der Mühle und an der Brücke gewesen. Es sind wirklich schlechte Nachrichten, die man hört, und gleich werden wir für die Seelen beten müssen, die heute diese Welt verlassen. Aber wir alle müssen sie verlassen, auf welche Art auch immer, das ist nicht das Schlimmste. Aber es gibt auch bessere Neuigkeiten. Aus dem, was ich auf dieser Seite des Flusses und an der Brücke herausfinden konnte – ein Bogenschütze in der Wachabteilung dort war mit mir im Heiligen Land – , kann man entnehmen, daß dein Vater und FitzAlan weder tot noch verwundet oder gefangen sind, und daß eine Durchsuchung der Stadt ergebnislos geblieben ist. Sie sind entkommen, Godric, mein Junge. Und ich bezweifle, daß Stephen ihrer jetzt noch habhaft werden kann. Und jetzt kümmere dich wieder um diese Arznei, die du mit deinen Tränen verdünnt hast, und übe dich im Junge-Sein bis wir dich sicher hier heraus und zu deinem Vater bringen können.«
    Einige Augenblicke lang vergoß sie Tränen wie ein Frühlingsregen, aber gleich darauf strahlte sie wieder. Es gab so vieles zu betrauern, aber auch so vieles zu feiern, daß sie nicht wußte, was sie zuerst tun sollte, und so fiel beides zusammen – wie im April. Aber sie stand ja im Frühling ihres Lebens und schließlich siegte die hoffnungsvolle Sonne.
    »Bruder Cadfael«, sagte sie, als sie sich beruhigt hatte, »ich wollte, mein Vater hätte Euch kennengelernt. Und doch steht Ihr nicht auf seiner Seite, oder?«
    »Mein Kind«, sagte Cadfael gelassen, »mein Herrscher heißt weder Stephen noch Maud, und in meinem ganzen Leben und all meinen Kämpfen habe ich nur für einen König gekämpft.
    Aber ich weiß Ergebenheit und Treue zu schätzen, und es ist sicher zweitrangig, ob das Objekt ihrer wert ist. Was du tust, und was du bist – das ist es, was zählt. Deine Treue ist ebenso heilig wie meine. Doch jetzt wasch dir das Gesicht und kühle deine Augen. Du kannst vor der Vesper noch eine halbe Stunde schlafen – ach nein, du bist zu jung, um diese Gabe zu besitzen!«
    Sie besaß die Fähigkeit zu einem kurzen Schlaf, die das Alter mit sich bringt, zwar nicht, wohl aber die Erschöpfung, die von jugendlichem Eifer herrührt, und so war sie Augenblicke später erleichtert auf der Bank eingeschlafen. Er weckte sie rechtzeitig zum Vespergottesdienst. Schweigend ging sie neben ihm her.
    Sie hatte sich ihre Stirnlocken ins Gesicht gekämmt, um ihre immer noch geröteten Augen zu verdecken.
    Der Schrecken der Ereignisse hatte alle Bewohner des Gästehauses in die Kirche getrieben. Unter ihnen befand sich auch Hugh Beringar. Ihn hatte es sicher nicht aus Furcht dorthin gezogen, sondern weil er hoffte, Aline Siward zu begegnen, die von ihrem Haus neben der Mühle mit niedergeschlagenen Augen und schwerer Sorge im Herzen in die Kirche geeilt war. Nichtsdestoweniger hatte er ein wachsames Auge auf alles, was für ihn von Interesse sein könnte. Er sah die beiden merkwürdig gegensätzlichen Gestalten aus den Gärten kommen – den breiten, kräftigen Mönch in mittleren Jahren, dessen Gesicht von der Sonne verbrannt war und dessen wiegender Gang den ehemaligen Seemann verriet. Er hatte seine Hand schützend und um die Schulter eines zierlichen Jungen in einem viel zu weiten Kittel gelegt, der große Schritte mit seinen nackten Beinen machte und mit aufmerksamen Augen unter den Haaren, die ihm ins Gesicht hingen, hervorspähte. Beringar betrachtete die beiden und dachte nach; dann lächelte er, aber so verstohlen, daß es kaum wahrzunehmen war.
    Godith ließ sich nichts anmerken. In der Kirche gesellte sie sich zu den anderen Klosterschülern und machte sogar bei ihren verstohlenen Späßen mit. Wenn er sie noch länger beobachtete, würde er nur grübeln, zweifeln und seine Meinung ändern. Seit mehr als fünf Jahren hatte er sie nicht mehr gesehen. Welchen Verdacht er auch hegte – er konnte nicht sicher sein. Außerdem bemerkte sie, daß er nicht den Teil der Kirche beobachtete, in dem sie stand; seine Augen ruhten die meiste Zeit auf der Dame in Trauerkleidung. Godith begann freier zu atmen und betrachtete ihrerseits ihren Bräutigam ebenso eingehend wie dieser Aline Siward. Bei ihrer letzten Begegnung war er ein achtzehnjähriger, ungelenker Junge gewesen. Jetzt besaß er die selbstsichere und lässige Eleganz einer Katze und gab sich kühl und

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