Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel
jedoch schon wieder auf dem Klostergelände und behielt ihn aus der Entfernung im Auge. Cadfael setzte sich auf eine Bank in der Sonne und döste vor sich hin, bis er sicher war, daß Godith nicht mehr im Garten arbeitete. Dennoch blieb er auch dann noch eine Weile sitzen und überdachte die Lage.
Kein Zweifel – er wurde beobachtet, wohin er sich auch wandte, und zwar von Beringar persönlich. Offenbar übertrug er diese Aufgabe nicht seinen Begleitern oder irgendwelchen bezahlten Überwachern, sondern kümmerte sich lieber selbst darum.
Wahrscheinlich machte es ihm sogar Spaß. Wenn er bereit war, Adam Courcelle auch nur eine Stunde lang das Feld zu überlassen, mußte ihm das, was er stattdessen tat, äußerst wichtig sein. Ich bin auserwählt, dachte Cadfael, als Mittel zu seinem Zweck, und das ist FitzAlans Schatz. Er wird mich also nicht aus den Augen lassen. Nun gut – wenn ich ihn schon nicht abschütteln kann, muß ich mich eben seiner bedienen.
Er wollte seinen Beschatter nicht ermüden oder ihm seine Pläne zu früh verraten. Beringar hatte ihn lange genug an der Nase herumgeführt, nun sollte er im Dunkeln tappen.
Also begab sich Bruder Cadfael in seinen Kräutergarten und verbrachte den ganzen Nachmittag bei seinen Arzneien, bis es Zeit war, zum Vespergottesdienst in die Kirche zu gehen. Er versuchte nicht herauszufinden, wo Beringar sich verborgen hatte, sondern hoffte nur, daß diese Bewachung einem so sprunghaften und agilen Mann doch recht schwer fiel.
Aline Siward erschien wieder mit Courcelle an ihrer Seite. Beim Anblick Bruder Cadfaels blieb er stehen und begrüßte ihn herzlich. »Es freut mich, Euch unter besseren Umständen wiederzusehen als beim letztenmal, und ich hoffe, daß Euch solche Pflichten in Zukunft erspart bleiben. Ich wünschte, ich könnte Seine Gnaden Eurem Kloster gegenüber gnädiger stimmen. Er hegt noch immer einen gewissen Groll, weil Euer Abt nicht eilig genug um Frieden gebeten hat.«
»Das ist ein Fehler, den schon viele andere begangen haben«, erwiderte Cadfael philosophisch. »Wir werden auch das überstehen.«
»Davon bin ich überzeugt. Aber im Augenblick ist Seine Gnaden nicht geneigt, dem Kloster Privilegien zu gewähren, die er der Stadt verwehrt. Wenn ich gezwungen sein sollte, auch innerhalb dieser Mauern gewisse Befehle auszuführen, von denen das Kloster verschont bleiben sollte, dann bitte ich Euch zu bedenken, daß ich ihnen nur widerstrebend folge und daß mir keine andere Wahl bleibt.«
Er bittet für die morgige Durchsuchung im voraus um Vergebung, dachte Cadfael. Also ist es so, wie ich es mir gedacht habe, und es ist ihm aufgetragen worden. Jetzt versichert er, daß er diese Pflicht nicht gerne tut und sich ihr liebend gern entziehen würde. Vielleicht übertreibt er seinen Widerwillen etwas, um sich vor der Dame reinzuwaschen.
»Ich bin sicher«, sagte er verständnisvoll, »daß jeder hier im Kloster, wenn das geschehen sollte, wissen wird, daß Ihr nur Eurem Befehl gehorcht, wie man es von einem Soldaten erwartet. Ihr braucht Euch nicht zu sorgen, daß man Euch die Verantwortung dafür zuschiebt.«
»Das habe ich Adam auch schon versichert«, sagte Aline und errötete, als sie ihn mit seinem Vornamen anredete. Vielleicht war es das erstemal gewesen. »Aber er ist schwer zu überzeugen. Nein, Adam, wirklich – Ihr nehmt eine Verantwortung auf Euch, die nicht die Eure ist, ganz so, als hättet Ihr Giles mit eigener Hand getötet, und Ihr wißt, daß das nicht stimmt. Ich kann nicht einmal die flämischen Söldner dafür schuldig sprechen. Auch sie hatten ihre Befehle. In so schrecklichen Zeiten wie diesen kann niemand mehr tun, als seinen Lebensweg seinem Gewissen gemäß zu wählen und die Folgen seiner Wahl, wie sie auch aussehen mögen, zu tragen.«
»Das ist nicht mehr und nicht weniger, als jeder Mensch tun kann«, sagte Cadfael gemessen, »wie gut oder schlecht die Zeiten auch sein mögen. Da ich Euch gerade treffe, möchte ich Euch für die Almosen danken, die Ihr mir geschickt habt. Ich habe sie drei Armen gegeben. Sprecht ein Gebet für sie, denn sie beten gewiß auch für Euch.«
Er sah ihr nach, als sie an Courcelles Seite die Kirche betrat. Er hatte das Gefühl, daß sie in dieser Krise ihres Lebens unentschlossen war, ob sie sich für das Kloster oder die Welt entscheiden sollte, und obgleich er in der Reife seiner Mannesjahre das Klosterleben gewählt hatte, wünschte er ihr, daß sich ihre Jugend in der Welt erfüllen
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