Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel
Tod völlig unschuldig sein. Vielleicht hatte er es nur auf FitzAlans Schatz abgesehen, von dem er jetzt wußte, wo er sich befand. Ob er sich selber bereichern oder ob er sich die Gunst des Königs erkaufen wollte – ein alter Mönch war für ihn jedenfalls kein großes Hindernis. In diesem Fall würde Cadfael den Augenblick, in dem er sich dieser verwünschten Last bei dem Gutshof im Wald, wo auch die Pferde untergebracht waren, entledigt hatte, wohl kaum lange überleben. Nun, dachte Cadfael, wir werden sehen!
Im Wald hielt er an, setzte stöhnend seine Last ab und ließ sich darauf nieder. Er gab sich den Anschein, als ruhe er sich aus, in Wirklichkeit aber horchte er auf seinen Verfolger, der ebenfalls stehengeblieben war und gespannt abwartete. Nur ein leises Rascheln drang an sein Ohr. Cadfael mußte lächeln. Der junge Mann war der geborene Abenteurer; er beschattete ihn ruhig und unermüdlich. Cadfael hatte jetzt eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie der Abend enden würde. Mit etwas Glück – nein, verbesserte er sich, mit Gottes Hilfe! – würde er zum Frühgottesdienst wieder zurück sein.
Es war kein Licht zu sehen, als er sich dem Gutshaus näherte, aber es brauchte nur das leise Rascheln seiner Schritte, und Bruder Louis trat aus der Tür. In der einen Hand hielt er eine Fackel, in der anderen seinen Dolch.
»Gottes Segen, Bruder«, sagte Cadfael und setzte seine Last ab. Er würde Torold einiges zu sagen haben, wenn er ihn das nächstemal traf! Das nächstemal mochte ein anderer dieses Paket tragen! »Laß mich ein und schließ die Tür ab.«
»Herzlich gern!« antwortete Bruder Louis, hielt ihm die Tür auf und legte von innen den Riegel vor.
Als Bruder Cadfael sich eine Viertelstunde später auf den Rückweg machte, blieb er einige Male stehen und lauschte angestrengt in den Wald, aber nichts deutete darauf hin, daß er noch verfolgt wurde. Hugh Beringar hatte aus der Deckung heraus beobachtet, wie er das Haus betrat, und vielleicht hatte er sogar so lange gewartet, bis Cadfael es ohne das Bündel wieder verlassen hatte. Dann war er in der Nacht verschwunden und leichtfüßig ins Kloster zurückgekehrt.
Cadfael ließ alle Vorsichtsmaßnahmen fallen und tat es ihm gleich. Er wußte jetzt, wie die Dinge standen. Als die Glocke zur Frühmette läutete, verließ er seine Zelle und stieg mit den anderen Brüdern andächtig die Treppe zur Kirche hinab, um das gemeinsame Morgengebet zu sprechen.
Kapitel VIII
Noch vor dem Morgengrauen des nächsten Tages hatten die Offiziere des königlichen Wachtrupps an jeder Straße postiert, die von Shrewsbury wegführte, während innerhalb der Stadtmauern Kommandos bereitstanden, die systematisch die Straßen durchkämmen und jedes Haus durchsuchen würden.
Die Beschlagnahme von Pferden und Proviant würde gründlich durchgeführt werden, aber es lag mehr in der Luft als nur das.
Prestcote hatte dem König vom Ergebnis seiner Nachforschungen berichtet. »Alles deutet darauf hin, daß das Mädchen sich immer noch irgendwo in der Gegend versteckt.
Das eine Pferd, das wir gefunden haben, stammt aus FitzAlans Stall, und der Mann am Fluß hatte mit Sicherheit einen Begleiter oder eine Begleiterin. Allein kann sie nicht weit gekommen sein. Alle Eure Berater sind sich einig: Ihr dürft Euch die Chance ihrer Gefangennahme nicht entgehen lassen, Euer Gnaden. Adeney würde ganz gewiß zurückkommen, um sie freizukaufen – sie ist sein einziges Kind. Möglicherweise würde sogar FitzAlan sich lieber Euch stellen, als die Schande auf sich zu nehmen, sie sterben zu lassen.«
»Sie sterben zu lassen?« fuhr der König auf. »Traut Ihr mir zu, daß ich das Mädchen töten lasse? Wer hat gesagt, daß ich ihr ein Leid antun will?«
»Von Eurem Standpunkt aus«, erwiderte Prestcote ungerührt, »klingt das absurd, gewiß, aber einem ängstlichen Vater, der auf Nachricht von seiner Tochter wartet, mag das immerhin möglich erscheinen. Natürlich würdet Ihr dem Mädchen nichts antun. Vielleicht nicht einmal ihrem Vater oder sogar FitzAlan, wenn sie Euch in die Hände fallen sollten. Aber ihr müßt alles tun, um zu verhindern, daß sie sich in Mauds Dienste begeben, Euer Gnaden. Es geht nicht mehr einfach um Rache für Shrewsbury, sondern darum, wie Ihr mit möglichst kleinem Aufwand Eure eigenen Kräfte schonen und Euren Gegner schwächen könnt.«
»Da habt Ihr allerdings recht«, gab Stephen ohne große Begeisterung zu. Seine Wut und sein Haß waren weitgehend
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