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Bruder Cadfaels Buße

Bruder Cadfaels Buße

Titel: Bruder Cadfaels Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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keuchend am Boden. Er war unverletzt.
    Man trug Philip in seine spartanisch eingerichtete Kammer im Bergfried, legte ihn dort auf das Bett, zog ihm mit Mühe das Kettenhemd aus und entkleidete ihn vollständig, um seine Wunden zu untersuchen. Der zitternde Junge folgte schluchzend. Cadfael, der etwas später kam, wurde sogleich eingelassen, denn man ließ es gern geschehen, daß er seine Fähigkeiten bereitwillig an den Verwundeten bewies. So stand er jetzt neben dem Wundarzt und sah auf Philips markantes dunkles Gesicht hinab, das man vom Blut gereinigt hatte, wie auch auf seinen muskulösen mageren Leib, der an der linken Seite aufgerissen war. Ein Stück Metallschlacke hatte ihn getroffen und ihm wohl mindestens zwei Rippen gebrochen. Zudem hatte eine gekrümmte Lanzenspitze, die sich sonst zu nichts mehr brauchen ließ, das dunkle Haar durchteilt und stak ihm nun links unmittelbar vor der Schläfe im Kopf. Es dauerte eine ganze Weile, bis man sie vorsichtig herauslösen konnte, ohne die Verletzung zu verschlimmern. Noch war unklar, ob er durch das Geschoß einen Schädelbruch erlitten hatte oder nicht. Sorgfältig reinigten sie die Kopfwunde und verbanden sie. Die Helfer legten auch am Oberkörper einen festen, aber nicht zu engen, Verband an und zuckten bei jedem der kurzen Atemstöße zusammen, der auf innere Verletzungen hinwies. Philips geschlossene Augenlider bewegten sich nicht, und kein Muskel in seinem Gesicht zuckte. Er spürte wohl keinen Schmerz, denn er lag in einer tiefen Bewußtlosigkeit.
    »Wird er leben?« fragte der Junge, der zitternd in der Tür stand.
    »So Gott will«, antwortete der Kaplan und schob ihn freundlich hinaus. Er begleitete ihn ein Stück weit, die Hand auf die Schulter gelegt, und versuchte ihn zu beruhigen. Im Bewußtsein des Geschickes, das diesen aufrechten und starrhalsigen Mann erwartete, sofern es Gott gefiele, Philip seine Verletzungen überleben zu lassen, fragte sich Cadfael betrübt, wer von ihnen wohl gern an Gottes Stelle wäre. Wie könnte einer es ertragen, sich zu entscheiden, ob der Mann leben oder sterben soll?
    Guy Camville, der nunmehr das Kommando hatte und auf dessen Schultern jetzt die Verantwortung für die Burg lastete, kam herein und erkundigte sich kurz nach dem Stand der Dinge. Er sah auf Philip hinab, der sich nach wie vor nicht rührte, schüttelte den Kopf und ging hinaus, um die ihm zugefallene Aufgabe bestmöglich zu erledigen. Immerhin war es möglich, daß diese Nacht die Wendung brachte.
    »Laßt es mich wissen, wenn er zu sich kommt«, sagte er noch, bevor er davonging, um den beschädigten Turm zu verteidigen und den bevorstehenden Angriff abzuwehren. Da jetzt eine ganze Reihe von Männern kampfunfähig war, mußten sich die Älteren und alle nur geringfügig Verletzten um die Schwerverwundeten kümmern.
    Cadfael saß an Philips Lager und lauschte auf die kurzen und heftigen Atemstöße, die ihn trotz aller Qualen noch nicht aus der Ohnmacht zurück ins Bewußtsein holten.
    Man hatte ihn zum Schutz vor der Kälte gut eingehüllt, und weil man befürchtete, daß er fiebern würde. Cadfael befeuchtete die geschlossenen Lippen und die Stirn unter dem Verband. Noch im Zustand der Hilflosigkeit wirkten die Züge des pflichtbewußten Mannes streng und gefaßt, wie bisweilen die Gesichter von Toten.
    Gegen Mitternacht bewegten sich Philips Augenlider, und seine Stirn verzog sich. Er atmete tiefer und begann zu stöhnen, offenbar spürte er nun die Schmerzen. Cadfael befeuchtete die geöffneten Lippen mit Wein, sie bewegten sich und sogen die Flüssigkeit durstig auf. Schon bald öffnete Philip die Augen und sah sich unsicher um. Dann erfaßte er die Umrisse des Raumes und erkannte den Mann, der neben ihm saß. Er war bei Bewußtsein und konnte sich offenbar an die Ereignisse erinnern, denn er fragte leise, aber verständlich: »Ist der Junge verletzt?«
    »Er ist wohlauf«, antwortete Cadfael und beugte sich über ihn, um besser zu hören und gehört zu werden.
    Mit einer kaum wahrnehmbaren Kopfbewegung bestätigte Philip, daß er verstanden hatte und lag eine Weile schweigend da. Dann sagte er: »Holt Camville. Ich muß mit ihm sprechen.«
    Er bemühte sich, sparsam mit seinen Worten zu sein und schloß Lippen und Augen, sobald er gesprochen hatte, wohl um die Klarheit seines Geistes und die Kräfte seines Leibes zu schonen. Cadfael spürte die Willensanstrengung, die ihn das kostete. Lange, fürchtete er, würde das nicht gut gehen.
    Aber noch

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