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Bruder Cadfaels Buße

Bruder Cadfaels Buße

Titel: Bruder Cadfaels Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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des Kriegers. Doch er war zäh, sein Leben ließ sich nicht so ohne weiteres auslöschen. Seine Wunden konnten es durchaus beenden, aber das würde nicht gleich sein, und gewiß befände sich FitzGilbert morgen um die Mittagszeit in La Musarderie. Dann war Philip sein Gefangener.
    Selbst wenn die Kaiserin erst einen oder zwei Tage später einzog, nachdem angemessene Gemächer für ihren Empfang hergerichtet worden waren, länger konnte der Aufschub nicht dauern. Philip hatte sie in ihrem Selbstwertgefühl verletzt, das würde sie ihm mit unerbittlicher Härte heimzahlen. Auch einen Mann, den die eigenen Beine nicht mehr tragen und in dem kaum noch Leben ist, kann man in einer Schlinge die wenigen Fuß emporziehen, die erforderlich sind, um an ihm ein abschreckendes Beispiel für alle anderen zu statuieren.
    Es gab also durchaus noch wesentliche Dinge zu regeln, wie immer, wenn der Tod unmittelbar bevorsteht.
    Und wer würde es wagen, etwas gegen einen Fingerzeig Gottes zu unternehmen?
    Als der Kaplan kam, um Cadfael abzulösen, nahm dieser die Schlüssel und trat aus dem vergleichsweise stillen Bergfried in den Kampflärm des Burghofs hinaus. Wie nicht anders zu erwarten, hatten die Belagerer ihren Angriff an der von ihnen bereits geschwächten Stelle wieder aufgenommen. Kraftvoll und rhythmisch schwangen die Männer den Sturmbock gegen die Mauer — diesmal im Schutz eines in aller Eile zusammengezimmerten Daches.
    Der hohl tönende Aufprall des zielgerichtet eingesetzten Widders ließ den Belagerten den Boden unter den Füßen erzittern. Zwischen den wuchtigen Rammstößen hörte man in unregelmäßigen Abständen, wie von der beschädigten Brustwehr und aus den Öffnungen zwischen den Zinnen des Wehrgangs Steine und Metallstücke auf das hölzerne Schutzdach geschleudert wurden. Das leise Schwirren von Bogensehnen und das Zischen von Pfeilen konnte man nur sehr selten hören. In dieser Situation waren Bogenschützen nicht besonders nützlich.
    Dort, wo die Bresche im Turm klaffte, war der Kampf Mann gegen Mann voll entbrannt, drängten sich Krieger mit Lanzen, Schwertern und Piken um den angeschlagenen Turm und in seinem Untergeschoß. Der in Wellen von dort emporsteigende dröhnende Klang von Stahl und Stimmen hallte an den Mauern um die Masse des Bergfrieds herum und erstarb am Nordwestturm, wo Olivier in Ketten lag, so daß dort nahezu völlige Stille herrschte.
    Hinter den Kriegern, die von den grotesken Umrissen der zerstörten äußeren Mauer eingerahmt wurden, konnte Cadfael Fetzen des Himmels erkennen, die bleicher waren als das tiefe Schwarz des Mauerwerks und getönt vom Schein der letzten Feuersglut. Auch die innere Mauer war jetzt durchbrochen, Reste von Mauerwerk lagen im Burghof zwischen den sich vor der Lücke drängenden Verteidigern. Die Bresche zum Hof hin war nicht besonders groß, und es sah ganz so aus, als sei sie mit Männern und Stahl angefüllt und der Angriff abgewiesen.
    Aber eine Lücke blieb. Es lohnte nicht, sie wieder zu schließen, sofern die Burg am nächsten Tag übergeben werden sollte, wohl aber war es der Mühe wert, den Feind draußen zu halten, um weiteres Töten zu verhindern. Philip hatte seiner Verpflichtung gemäß gehandelt; er versuchte, so viele Menschenleben wie möglich aus der von ihm geschaffenen Situation zu befreien, und er würde dafür mit seinem eigenen Leben bezahlen.
    Man mußte sich im Burghof nach wie vor dicht an die Mauern drängen, obwohl der Geschoßhagel wegen der Dunkelheit nachgelassen hatte. Von Zeit zu Zeit kam lediglich ein Brandpfeil über die Mauer geflogen, weil der Feind mit einem in Brand geschossenen Dach Verwirrung zu stiften gedachte. Cadfael umrundete den massigen Bergfried und erreichte die nahezu verlassene Nordwestecke des Burghofs, wo lediglich Mauer und Brustwehr besetzt waren. Dort klang der Schlachtenlärm, der von der Bresche im Turm herüberdrang, sonderbar fern und gedämpft. Die Schlüssel in seiner Hand hatten sich erwärmt, und die Luft war an diesem Abend nicht frostig.
    Am nächsten Tag, nach der Übergabe, würde man ihnen vielleicht gestatten, ihre Toten zu begraben und die zahlreichen Verwundeten richtig zu versorgen.
    Der erste Schlüssel paßte in die schmale Tür am Fuß des Turms, sie öffnete sich fast ohne zu knarren. Zwei Stockwerke in die Tiefe, hatte Philip gesagt. Cadfael stieg die Wendeltreppe hinunter. Auf halbem Weg brannte in einem Wandhalter eine Fackel; trotz der Belagerung war hier nichts

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