Bruder Cadfaels Buße
konnte die Dinge wieder ins Lot bringen.
»Nun«, sagte Hugh, »es ist nicht das erste Mal, daß wir miteinander reiten. Du hast drei Tage, um zu klären, was zwischen Gott, Radulfus und dir steht. Mach dich dann reisefertig. Auf jeden Fall werde ich dir statt eines Maultieres aus dem Kloster das beste Pferd aus den Stallungen meiner Burg geben.«
Innerhalb der Klausur herrschten gemischte Gefühle in bezug auf Cadfaels Vorhaben, das er nur mit eingeschränkter Billigung des Abtes und ohne das Versprechen unternahm, sich dessen Bedingungen zu unterwerfen.
Sorgfältig hatte Prior Robert den Brüdern dargelegt, unter welchen Voraussetzungen Cadfaels Abwesenheit vom Abt genehmigt worden war und daß sich dieser lediglich für die Dauer der Versammlung in Coventry vom Kloster entfernen durfte. Seine Formulierungen ließen erahnen, daß es zu einer Mißachtung des Gebotes kommen werde, als könne er damit Vorsorgen, daß man ihm später keinen Vorwurf machen würde. Der Grund war vermutlich, daß ihn der Abt nur unvollständig eingeweiht hatte. Eine Erklärung für die Gründe von Cadfaels nur zögernd genehmigter Abwesenheit wurde den Mitgliedern der Gemeinschaft nicht gegeben. Dieser Punkt ging nur Cadfael und Radulfus etwas an.
Unbefriedigte Neugier sorgte dafür, daß angesichts des wenigen, was bekannt wurde, die wildesten Mutmaßungen umliefen. Stumm richteten sich entsetzte und bekümmerte Blicke auf einen Bruder, den der eine oder andere beinahe schon als Abtrünnigen ansah. Manche, die bereits seit ihrer Kindheit im Kloster lebten, nahmen ihm gegenüber eine feindselige Haltung ein. Andere hingegen, die später gekommen waren und denen das Leben als Eingeschlossene bisweilen zur Last wurde, waren voll Neid.
Der Krankenpfleger Edmund, den man bereits mit vier Jahren als für den Ordensstand bestimmt und ins Kloster gegeben hatte, nahm getreulich hin, was ihn an Cadfael verwirrte und fürchtete lediglich eine Weile, er werde den kräuterkundigen Mitbruder verlieren. Nur der Vorsänger, Bruder Anselm, der sonst äußerstenfalls einen mißlungenen Ton beim Chorgesang oder eine Erkältung bei einem der besten Sänger durchgehen ließ, nahm die Neuigkeit mit äußerster Gelassenheit hin. Er vermutete, daß alles zum besten stehe, wünschte jedem nur das Beste und machte sich weiter keine Sorgen.
Prior Robert mißbilligte jede Abweichung von der Benediktinerregel, wie er schon in den vergangenen Jahren alle Vorrechte mißbilligt hatte, die seiner Meinung nach Bruder Cadfael eingeräumt wurden. Dazu gehörte auch die Erlaubnis, sich frei unter den Bewohnern der Abteivorstadt und in der Stadt zu bewegen, wenn Krankheitsfälle das erforderten. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte außerdem sein Sekretär, Bruder Jerome, nur allzu gern den Groll des Priors geschürt; doch war jenem vor einer Weile eine schreckliche Niederlage widerfahren, die seiner Selbstzufriedenheit einen schweren Dämpfer aufgesetzt hatte. Seit man ihn nach einer ihm auferlegten langen Buße von seiner Aufgabe als Beichtiger der Novizen entbunden hatte, war er von überraschender Demut. So verhielt er sich zumindest zur Zeit weit umgänglicher als zuvor und nutzte nicht mehr jede sich bietende Gelegenheit, die Schwächen anderer zu geißeln. Zweifellos würde er im Laufe der Zeit wieder in seine gewohnte Selbstgerechtigkeit verfallen, dies eine Mal aber blieb Cadfael jeglicher Tadel aus seinem Munde erspart.
So kam es, daß die schärfste Auseinandersetzung in Cadfael selbst stattfand. Er hatte die Gelübde abgelegt und war sich durchaus dessen bewußt, daß sie ihn an den von ihm selbst gewählten Ort banden, den er jetzt zu verlassen erwog. Bei der Darlegung seines Falles vor dem Abt hatte er die reine Wahrheit gesagt und alles rückhaltlos und offen geschildert. Doch entband ihn das von den Verpflichtungen, die er eingegangen war? Bruder Edmund und Bruder Winfried würden ihn gemeinsam vertreten müssen, Arzneien zubereiten, sich um das Lepra-Hospiz von St. Giles kümmern, den Kräutergarten pflegen, kurz, nicht nur ihre eigene Arbeit, sondern auch seine erledigen müssen.
Das wäre für sie eine große Bürde, wenn er die ihm gewährte Zeit der Abwesenheit nicht einhielte. Während er diese Möglichkeit erwog, war ihm bewußt, daß er durchaus damit rechnete. Daher lag sein Entschluß wie eine Entscheidung zwischen Leben und Tod auf ihm, bevor er auch nur die Klosterpforte durchschritten hatte.
Trotz allem war ihm klar, daß er gehen
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