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Bruder Cadfaels Buße

Bruder Cadfaels Buße

Titel: Bruder Cadfaels Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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rauh war vom Schmerz um all das, was er sich von seinem eigenen Vater erhofft und nicht bekommen hatte. Ein Übermaß an Liebe, das in ein Übermaß an Haß umgeschlagen war, durchzog sein ganzes Denken, wenn es um die qualvolle und unausgewogene Beziehung zwischen Vater und Sohn ging, die einander zu nahe standen und zugleich zu fern waren.
    »Er schuldet mir nichts«, sagte Cadfael. »Nichts als das Maß an Freundschaft und Zuneigung, das ein Mann dem anderen aus freien Stücken und im gegenseitigen Vertrauen gewährt. Es gibt keine Ansprüche, die auf die Bande des Blutes zurückgehen.«
    »Dennoch glaubt Ihr, ihm aufgrund Eurer Blutsbande etwas zu schulden«, sagte Philip leise, »bis hin zu Eurem Leben. Bruder, ich denke, daß Ihr mir etwas berichtet, das ich nur allzu gründlich durchlebt und nur allzu gut begriffen habe. Diese Erkenntnis hat mich Jahre meines Lebens gekostet. Wir sind die Söhne der Väter, die wir verdienen, und sie zeugen die Söhne, die sie verdienen.
    Wir sind unsere eigene Buße und zugleich die ihre. Der erste tödliche Streit auf der Welt, heißt es, sei zwischen zwei Brüdern ausgebrochen, aber den längsten und erbittertsten fechten Väter und Söhne aus. Jetzt bietet Ihr mir den Vater für den Sohn. Das entspricht weder meinem Wunsch noch meinem Bedürfnis, und überdies wollt Ihr in einer Währung zahlen, mit der ich nichts anfangen kann. Wie könnte ich Euch zürnen? Ich achte und schätze Euch, und manches, um das Ihr mich bitten könntet, würde ich Euch gern gewähren. Aber Olivier bekommt Ihr nicht.«
    Damit war Cadfael entlassen. An jenem Abend sprachen die beiden Männer nicht weiter miteinander. Von der Kapelle herüber rief die Glocke zur Komplet; hohl hallte ihr Klang durch die steinernen Gänge.

9. Kapitel
    ie er es aus dem Kloster gewohnt war, stand Cadfael um Mitternacht auf, obwohl in der Burg keine Glocke zur Andacht läutete. Zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, daß seine Unterbringung in einem Raum nahe der Kapelle eine tiefere Bedeutung haben könnte. Obgleich er Philip gegenüber seine Abtrünnigkeit nicht verhohlen hatte, war ihm der Raum angewiesen worden, auf den Angehörige der Kirche, die besuchshalber in der Burg weilten, Anspruch erheben durften. Da sein Gastgeber schon so rücksichtsvoll gewesen war, ihn nahe der Kapelle unterzubringen, war es nur recht und billig, daß er an deren Altar die fälligen Stundengebete Matutin und Laudes verrichtete. Zwar hatte Cadfael seine Rechte und den Anspruch auf Vergünstigungen aufgegeben, nicht aber seinen Glauben.
    Schon daß er still und versunken in der Kühle des strengen steinernen Baus kniete und nahezu lautlos die vertrauten Worte murmelte, gab ihm mehr Trost und Seelenfrieden, als er zu hoffen gewagt hatte. Die Zweifel und Befürchtungen des Tages waren wie weggeblasen, und nicht der geringste Schatten einer Besorgnis fiel auf die Ereignisse, die der nächste Tag bringen würde. Das konnte nur bedeuten, daß ihm die Gnade des Herrn nahe war.
    Gerade wollte er die Kapelle verlassen, als einer, der offenbar gleichfalls wach war, still in der offenen Tür erschien, von der Cadfael nur noch einen oder zwei Schritte entfernt war. Er hatte sie bewußt nicht geschlossen, damit sie nicht durch lautes Knarren andere Burgbewohner weckte. Im blassen Licht konnten die Männer einander deutlich erkennen.
    »Für einen Abtrünnigen haltet Ihr die Gebetsstunden aber streng ein, Bruder«, flüsterte Philip. Er schritt barfuß über den Steinboden und hatte seine Blöße mit einem schweren pelzbesetzten Umhang bedeckt. »Keine Sorge, Ihr habt mich nicht gestört. Ich habe noch lange wachgelegen. Die Schuld daran dürft Ihr allerdings auf Euch nehmen, wenn Ihr wollt.«
    »Auch wer sich losgesagt hat«, entgegnete ihm Cadfael, »kann nach dem Saum der Gnade haschen. Es tut mir leid, Euch am Schlaf gehindert zu haben.«
    »Vielleicht folgt daraus für Euch etwas Gutes«, sagte Philip. »Wir wollen uns morgen noch einmal unterhalten. Ich hoffe, daß Ihr hier alles habt, was Ihr braucht und zumindest ebenso weich gebettet seid wie im Schlaftrakt Eures Klosters. Soweit ich gehört habe, gibt es keinen großen Unterschied zwischen dem Nachtlager eines Kriegers und dem eines Mönches. Ich habe, seit ich ein Mann bin, ausschließlich das eine ausprobiert.«
    In der Tat hatte er in der endlosen Auseinandersetzung schon zu den Waffen gegriffen, bevor er zwanzig Jahre alt war, um seinen Vater zu unterstützen.
    »Ich kenne beide«,

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