Bruder Cadfaels Buße
sich über den tiefliegenden Augen zusammen. »Nein. Dazu bestand kein Anlaß. De Soulis hatte jede Vollmacht. Aber Ihr habt mir noch mehr zu sagen.
Was ist es?«
»Es gibt jemanden, dem dieser plötzliche Unfalltod sehr gelegen kam - just einen Tag, nachdem sein Siegel unter die Urkunde gesetzt worden war, welche die Übergabe von Faringdon an König Stephen formell bekräftigte. Vorausgesetzt, er war nicht schon in der Nacht davor tot und eine fremde Hand hat sein Siegel auf das Dokument gedrückt. Es gibt Männer, die bereit sind, mit einem feierlichen Eid zu bekräftigen, daß Geoffrey FitzCläre dieser Übergabe nie und nimmer zugestimmt hätte, solange er in der Lage war, seine Hand oder seine Stimme zu erheben. Ich habe mit einem von ihnen gesprochen.
Hätte sich Geoffrey FitzClare aber gegen die Übergabe ausgesprochen oder zum Schwert gegriffen, seine Krieger in der Burg hätten auf seiner Seite gekämpft, und vielleicht auch noch andere. Dann wäre Faringdon nie gefallen.«
»Mit anderen Worten war sein Tod Eurer Ansicht nach kein Unfall«, sagte Philip finster. »Und nicht er hat sein Siegel zu den anderen unter die Übergabeerklärung gesetzt, sondern eine fremde Hand, als er schon tot war.«
»Davon bin ich fest überzeugt. Er hätte es nie im Leben getan und sein Siegel nie und nimmer einem anderen anvertraut. Seine Zustimmung aber war unerläßlich, um keine Zwietracht in den Reihen der Besatzung zu säen.
Ich nehme an, daß man ihn bereits getötet hat, als man ihn von dem Vorhaben in Kenntnis setzte und er sich dagegen aussprach. Es gab keine Zeit zu verlieren.«
»Dennoch sind Manner am nächsten Tag ausgeritten, um nach ihm zu suchen und haben ihn vor den Augen aller nach Faringdon zurückgebracht.«
»In Umhänge gewickelt und auf einer Trage. Zweifellos hat man ihn seinen Kriegern so gezeigt, und sie haben das Gesicht erkannt. Aber sie haben ihn nicht aus der Nähe gesehen, und nicht seinen Körper, nachdem man ihnen sagte, daß er gestorben ,d. Es ist nicht schwer, einen Toten nachts fortzusch«/ en, irgendwo zu verbergen und am nächsten Tag offen zurückzubringen. Durch das Pförtchen, das man geöffnet hatte, um die Unterhändler des Königs einzulassen, konnte man ebenso FitzClares Leichnam hinausschaffen, zu irgendeinem Versteck in den Wäldern. Auf welche Weise und zu welchem Zweck wäre sonst FitzClares Siegel mit Brien de Soulis nach Coventry gelangt, wo man es in seiner Satteltasche gefunden hat?« schloß Cadfael seine Darlegung mit Nachdruck.
Philip erhob sich abrupt, ging um den Tisch herum und schritt schweigend im Raum auf und ab. Es war, als könne nur die Bewegung des Körpers den Aufruhr des Geistes besänftigen, der in ihm tobte. Wie eine umherstreifende Katze durchmaß er den Raum und blieb schließlich in der finstersten Ecke stehen. Dort stützte er sich, Cadfael und das Licht im Rücken, mit geballten Fäusten auf eine schwere Truhe. Obwohl er sich nicht bewegte, war seine Anspannung ebenso deutlich zu spüren wie zuvor. Er schwieg lange. Als Philip sich umwandte, konnte man seinem Gesichtsausdruck entnehmen, daß er das Gehörte in sich aufgenommen und verarbeitet hatte.
»Von all dem habe ich nichts gewußt. Sofern es der Wahrheit entspricht, was Ihr mir berichtet - und mein Gefühl sagt mir, daß es sich so verhält -, sollt Ihr wissen, daß ich damit nichts zu schaffen hatte und es auch nie zugelassen hätte.«
»Der Gedanke war mir nie gekommen«, sagte Cadfael.
»Ob die Übergabe aufgrund Eures Ersuchens — besser gesagt Eurer Weisung - erfolgte, weiß ich nicht und will es auch nicht wissen. Ihr wart nicht am Ort, und alles, was vorgefallen ist, geschah auf de Soulis' Anordnung, wenn nicht sogar von seiner eigenen Hand. Es dürfte nicht leicht fallen, vier Hauptleute mit zahlreichem und kampfbereitem Gefolge zu einem Mordkomplott zu bewegen.
Wahrscheinlich war es besser, FitzClare beiseite zu nehmen, Mann gegen Mann, und anschließend zu erklären, man habe ihn zu Euch nach Cricklade geschickt, damit er mit Euch verhandele. Unterdessen konnte einer oder zwei, denen ein Mord nicht viel bedeutete, den Toten mitsamt dem Pferd, das er angeblich bei seiner nächtlichen Botschaft geritten hatte, insgeheim aus dem Weg schaffen.
FitzClares Siegel dürfte das erste auf dem Pergament gewesen sein. Nein, von Euch hatte ich keinen Augenblick lang angenommen, daß Ihr an einer solchen Verschwörung beteiligt wart, ganz gleich, wessen ich Euch für fähig halte.
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