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Bruder Cadfaels Buße

Bruder Cadfaels Buße

Titel: Bruder Cadfaels Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Im Hof griff er mit einer Hand nach dem Zaumzeug, setzte den linken Fuß in den Steigbügel und saß mit einem Schwung im Sattel. Dann nahm er die Zügel und trieb dem Schecken die sporenlosen Fersen in die Weichen. Die neugierig gaffenden Krieger und Bediensteten wichen auseinander, um ihm Durchlaß zu gewähren. Er ritt zum Tor hinaus und über den Damm dem Rand des Waldgürtels entgegen. Hinter der Furt würde ihn sein Weg wieder nach oben führen, immer durch das dichte Grün, das Greenhamsted umgab. Yves zog auf demselben Weg davon, den Cadfael gekommen war, der von den Römern Jahrhunderte zuvor angelegten langen, breiten Straße entgegen, die sich schnurgerade über die gewellte Hügelkette der Cotswolds dahinzog. Sobald er sie erreicht hatte, würde er sich nach links wenden, der Stadt Gloucester zu, um dort seine Pflicht zu tun.
    Cadfael ging nicht zum Tor, um Yves nachzusehen. Er erblickte als letztes seinen Umriß im Torweg, wie er sich, stolz mit geradem Rücken im Sattel sitzend, vor dem düsteren Himmel abzeichnete. Dann wurden die Torflügel hinter ihm geschlossen und verriegelt.
    »Es ist ihm ernst. Er kommt zurück,« sagte Cadfael.
    Ihm war bewußt, daß manche jungen Männer Dinge sagen, die sie nicht wirklich meinen, und auch, daß es solche gab, die nicht zwischen dem einen und dem anderen zu unterscheiden wissen, was sie unter Umständen später bedauern.
    »Das ist mir klar«, gab Philip zur Antwort. »Ich würde es ihm nicht einmal dann verübeln, wenn es nicht mehr wäre als eine Geste.«
    »Es ist mehr. Unterschätzt ihn nicht.«
    »Das verhüte Gott! Er wird kommen, und wir werden sehen. Alles hängt davon ab, wie stark die Streitmacht der Kaiserin in Gloucester zur Zeit ist und ob sich mein Vater bei ihr befindet oder nicht.« Auch als er von seinem Vater sprach, klang seine Stimme unverändert kalt. Offensichtlich schätzte er lediglich die Kräfteverhältnisse ab.
    Die Männer, die dem Davonreitenden vom Burghof aus nachgesehen hatten, waren wieder an ihre Arbeit gegangen. Ein Windstoß trug nicht nur den süßen und warmen Geruch frisch gebackenen Brotes herein, das man aus dem Backhaus herbeibrachte, sondern auch das scharfe metallische Klirren von Hämmern aus der Waffenkammer.
    »Warum wünscht Ihr, daß ich Euch weiter Gesellschaft leiste?« fragte Cadfael. »Ich bin es, der mit Euch etwas zu verhandeln hat, das bislang ungeklärt ist. Nicht Ihr wolltet etwas mit mir erörtern.«
    Philip schrak aus seinen Gedanken auf, um sich ganz auf sein Gegenüber zu konzentrieren. »Warum habt Ihr Euch entschieden zu bleiben? Ich hatte doch gesagt, daß Ihr gehen könnt, sobald Ihr wollt.«
    »Die Antwort auf diese Frage kennt Ihr«, entgegnete Cadfael geduldig. »Die auf meine Frage kenne ich nicht.
    Was wollt Ihr von mir?«
    »Das weiß ich selbst nicht genau«, gab Philip mit dem Anflug eines spöttischen Lächelns zu. »Ich wüßte gern, was Ihr denkt. Ich finde Euch bemerkenswerter als die meisten anderen Menschen.«
    Sofern es sich dabei um ein Kompliment handelte, konnte Cadfael es erwidern, ohne zu heucheln. Gewiß wäre es aufschlußreich, dahinterzukommen, was dieser Mann dachte. Vielleicht würde es sogar etwas Licht auf den Vater werfen, wenn man den Sohn besser verstand.
    Sofern Yves bei der Kaiserin auf Robert von Gloucester stieß — wäre dieser ähnlich verbittert wie sein Sohn und ' würde darauf hinarbeiten, daß sie gegen Philip vorging, oder würde er sich bemühen, ihre Feindseligkeit zu mäßigen, um ihn zu verschonen?
    »Betrachtet mein Haus als das Eure, Bruder, solange Ihr hier seid«, sagte Philip. »Sofern es Euch an etwas fehlt, sagt es mir.«
    »Mir fehlt etwas.« Cadfael trat unmittelbar vor Philip, damit dieser ihn deutlich sah und hörte, und ihm, sofern er es für richtig hielt, seinen Wunsch von Mann zu Mann verweigerte. »Mein Sohn. Laßt mich ihn sehen.«
    Die Antwort war ein schlichtes »Nein«. Philip betonte das Wort nicht, und das war auch nicht nötig.
    »Betrachtet mein Haus als das Eure, habt Ihr gesagt.
    Wollt Ihr meine Bewegungsfreiheit innerhalb dieser Mauern jetzt einschränken?«
    »Gewiß nicht. Geht, wohin Ihr wollt, öffnet jede unverschlossene Tür, wo immer Euch danach gelüstet. Mag sein, Ihr findet ihn, aber es wird Euch nicht gelingen, zu ihm vorzudringen«, sagte Philip ausdruckslos, »und er wird nicht zu Euch hinausgelangen.«
    In der frühen Abenddämmerung machte Philip vor der Vesper die Runde durch die ganze Burganlage,

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