Bruder Cadfaels Buße
Aber FitzClare ist tot, und ebenso de Soulis, und ich denke, daß Ihr keinen Grund mehr habt, ihn zu betrauern oder rächen zu wollen. In dem Fall aber gibt es auch keinen Grund mehr, einem jungen Mann, der ein offener und erklärter Feind von Brien de Soulis war, dessen tückische Ermordung zur Last zu legen. Manch einer der Männer aus Faringdon war bereit, den Mord an FitzClare zu rächen und der eine oder andere von ihnen wird auch in Coventry zugegen gewesen sein. FitzClare war beliebt, und seine Männer folgten ihm bereitwillig.
Nicht jeder von ihnen hat für bare Münze genommen, was über seinen Tod verlautbar wurde.«
»Ihnen wäre de Soulis mit dem gleichen Mißtrauen entgegengetreten, wie Ihr es mit Bezug auf Hugonin unterstellt«, sagte Philip.
»Meint Ihr denn, sie hätten sich als seine Feinde zu erkennen gegeben? Wer ihm mit gewisser Absicht näher kommen wollte, würde doch ganz im Gegenteil dafür Sorge tragen, sich nicht zu verraten, anders als Yves, der seinen Zorn und seine Feindschaft vor aller Welt hinausgeschrien hat. Euch ist ebenso klar wie mir, daß er nicht auf die Länge eines Schwertes an ihn herangekommen wäre, von Dolcheslänge ganz zu schweigen. Gebt Yves Hugonin die Freiheit«, sagte Cadfael, »und nehmt mich an meines Sohnes Statt.«
Langsam trat Philip an den Tisch zurück, setzte sich wieder und schloß das Buch, das aufgeschlagen vor ihm lag.
Er stützte den Kopf in die Hände und richtete seinen undurchdringlichen Blick erneut auf Cadfael.
»Ach ja«, sagte er, mehr zu sich selbst als zu ihm, »da ist noch die Sache mit Eurem Sohn Olivier. Ihn wollen wir nicht vergessen.« Aber seine Stimme klang nicht beruhigend. »Wir wollen sehen, ob der Mann, den ich so gut zu kennen glaubte, derselbe ist wie der Sohn, den Ihr kennt.
Mir gegenüber hat er nie von einem Vater gesprochen.«
»Er weiß nur, was ihm seine Mutter als Kind erzählt hat, und so kennt er von seinem Vater nur eine durch Liebe übermäßig wohlwollend gefärbte Legende. Von mir hat er nichts erfahren.«
»Wenn ich Euch mit meinen Fragen zusetze, antwortet einfach nicht. Aber ich empfinde das Bedürfnis, mehr zu wissen. Ist er ein Kind des Kreuzgangs?«
»Nein«, sagte Cadfael, »wohl aber eines des Kreuzzugs.
Seine Mutter lebte und starb in Antiochia. Daß sie ein Kind von mir hatte, habe ich erst erfahren, als ich Olivier hier in England begegnet bin. Er nannte ihren Namen und bestimmte Daten, die zweifelsfrei anzeigten, daß er mein Sohn ist. In den Orden bin ich erst später eingetreten.«
»Der Kreuzzug!« knüpfte Philip an das Gesagte an.
In seinen Augen lag ein goldglänzender Schimmer.
Neugierig richtete er den Blick auf Cadfaels ergraute Haare und sein wettergegerbtes faltiges Gesicht. »Ihr habt an dem Kreuzzug teilgenommen, als dessen Ergebnis in Jerusalem ein christliches Königreich errichtet wurde? Ihr wart dort? Von allen Kämpfen gewiß der achtbarste.«
»Sagen wir, einer, der sich am ehesten rechtfertigen läßt«, stimmte Cadfael betrübt zu. »Weiter würde ich nicht gehen.«
Nach wie vor ruhten Philips Augen abschätzend und voll Staunen auf ihm. Mit einem Mal lag eine sonderbare Leidenschaft in ihnen. Der Blick ging durch Cadfael hindurch in die Ferne, über das sagenumwobene Mittelmeer ins jenseits gelegene legendäre fränkische Reich. Seit dem Fall von Edessa war die Christenheit, was Jerusalem anging, voll unbehaglicher Befürchtungen und unsicherer Hoffnungen. Der Papst wie Bischöfe und Äbte schliefen schlecht, wenn sie an ihre belagerte Hauptstadt dachten und erhoben immer wieder laut wie Trompetenschall ihre Stimme, um zur Verteidigung der Kirche aufzurufen.
Auch Philip hatte sich vom Klang der Kriegstrompete mitreißen lassen.
»Wie hat es sich zugetragen, daß Ihr ihm hier begegnet seid, ohne ihn zuvor zu kennen? War es nur ein einziges Mal?«
»Nein, zweimal, und sofern mir Gott gnädig ist, wird es ein drittes Mal geben«, erwiderte Cadfael unerschrocken.
Knapp berichtete er die Umstände dieser beiden Begegnungen.
»Und er weiß nach wie vor nicht, daß Ihr sein Vater seid? Habt Ihr es ihm nicht gesagt?«
»Er muß es nicht wissen. Zwar braucht er sich dessen nicht zu schämen, aber es gibt auch keinen Grund, stolz darauf zu sein. Sein Weg liegt vor ihm und wird ihn zur Größe führen. Warum sollte ich etwas tun, das ihn davon abbringen oder unsicher machen könnte?«
»Ihr wollt nichts von ihm?« Erneut lag die gefährliche Bitterkeit in Philips Stimme, die
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