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Bruder Cadfaels Buße

Bruder Cadfaels Buße

Titel: Bruder Cadfaels Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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inspizierte die Wachposten und kontrollierte, ob wirklich alles zur Verteidigung bereit war. Auf der Westseite, wo das Gelände steil zum Dorf oben auf dem Berggrat anstieg, trugen die Zinnen eine breite hölzerne Brustwehr, denn dort bestand für einen Angreifer am ehesten die Möglichkeit, sich mit Belagerungsmaschinen der Ringmauer zu nähern oder sie zu unterminieren. Philip schritt die ganze Brustwehr ab und achtete darauf, daß nichts das Öffnen der Falltüren im Boden behinderte, durch die man Belagerer, welche die Mauer erreicht hatten, von oben angreifen konnte, ohne deren Bogenschützen ein Ziel zu bieten.
    Gewiß, der Feind konnte die Brustwehr in Brand setzen, und Philip hätte das Holzwerk am liebsten durch Steine ersetzt, doch war er andererseits dankbar, daß Musard zumindest diese behelfsmäßige Verteidigungsmöglichkeit vorgesehen hatte. Philip vergewisserte sich auch, daß unterhalb der Brustwehr keinerlei Gebüsch oder junge Bäume die Sicht auf den nackten Boden erschwerten.
    Zwar wuchs an der Ostseite ein kräftiger Rebstock an der Mauer empor, doch unternahm er nichts dagegen, denn dort sprang ein Turm vor. Es bestand daher kaum Gefahr, daß jemand von Osten die Mauer erkletterte, zumal das Gelände um den Rebstock herum völlig kahl war und keinerlei Deckung bot.
    Gegenüber der Brustwehr hatte Philip die ganze Bergflanke empor einen breiten Geländestreifen von jedem Bewuchs befreien lassen, damit ein Angreifer seine Belagerungsmaschinen auf Abstand halten mußte, wenn er in Deckung bleiben wollte. Sofern kein schweres Gerät eingesetzt wurde, lagen die Mauern von La Musarderie für Steinschleudern und Wurfmaschinen außer Schußweite.
    Die von Philip zur Bewachung der Ringmauer eingeteilten Männer vertrauten seinem und ihrem Sachverstand, und ihr Verhältnis war von gegenseitiger Achtung geprägt. Die meisten dienten ihm schon seit Jahren und waren mit ihm von Cricklade gekommen. In Faringdon hatte die Sache ein wenig anders ausgesehen, da die dortige Besatzung von verschiedenen Stützpunkten zusammengezogen worden war, so daß er sich nicht in dem Maß auf gegenseitiges Verständnis und Vertrauen verlassen konnte. Doch ausgerechnet der, dem er mehr vertraut und den er höher geschätzt hatte als alle anderen, war mit unbegreiflicher Verachtung an der Spitze der Abtrünnigen gegen ihn aufgestanden. Lag dem ein Mißverständnis zugrunde? Hatten sie nicht die richtigen Worte gefunden? Sich nicht über die Tragweite der Ereignisse geeinigt? Mit Sicherheit war die Zuneigung auf beiden Seiten nicht die gleiche gewesen.
    Von der Mauer herab ließ Philip den Blick über die Burghöfe schweifen, wo Fackeln aufflammten, harzige Feuerbrände in der zunehmenden Dämmerung. Schwer hingen die Wolken über den Westtürmen. Vielleicht würden sie Schnee bringen. Die Wächter auf der Mauer hüllten sich in ihre Umhänge und trotzten dem scharfen Wind. Der törichte tapfere Junge hatte wohl inzwischen Gloucester erreicht, sofern das wirklich sein Ziel war.
    Beim Gedanken an dessen starrhalsige Geradlinigkeit umspielte ein anerkennendes Lächeln Philips Lippen.
    Höchstwahrscheinlich hatte der Benediktiner mit seiner Einschätzung recht. Es war töricht anzunehmen, daß ein solches Geschöpf hinterrücks töten konnte. In ihm sah er eine kleinere Ausgabe jenes anderen - nichts als Tapferkeit und Treue. In einem solchen Mann war kein Raum für den unruhigen Geist, der unter Umständen nach minder ruhmreichen Wegen durch das Labyrinth der Zerstörung suchte, als sie das Schwert bot. Er kannte keinen jener wenig aufsehenerregenden Grautöne zwischen Schwarz und Weiß, die das Leben der meisten Sterblichen begleiten. Nun denn, sofern sich von uns verstümmelten und unreinen Seelen die eine oder andere auf irgendeine Weise den Weg in eine Zukunft erzwingen kann, in der die tapferen und verächtlichen Unschuldigen zu existieren vermögen - warum es ihnen mißgönnen? Aber warum fällt, wenn man an diesem Punkt der Einsicht angekommen ist, die Resignation so schwer, die sie begleitet? Das Feuer, das uns versengt, ist nie leicht zu ertragen.
    Unten im Hof rüstete man die Burg mit gewohnter Geschäftigkeit und Tüchtigkeit für die Nacht. Kleine perspektivisch verkürzte Gestalten gingen von den der Mauer entlang gelegenen Gebäuden zum Rittersaal und zum Bergfried hinüber. Auf dem Steinpflaster vor der Schmiede spiegelte sich rot ein Lichtpunkt vom Feuerschein in der Esse. Zwei in lange Umhänge gehüllte

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