Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bruder Cadfaels Buße

Bruder Cadfaels Buße

Titel: Bruder Cadfaels Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
Mauer dem entfernteren Turm entgegen. Yves nutzte die Gunst des Augenblicks und überquerte, auch auf die Gefahr hin zu stürzen, das unebene Gelände im Laufschritt. Dankbar ließ er sich am Fuß der Mauer niedersinken. Dann schob er sich vorsichtig an ihr entlang, bis er den Winkel erreicht hatte, und zwängte sich dort ins Dickicht. Hier war die über ihm vorspringende Brustwehr keine Bedrohung, sondern gewährte ihm ganz im Gegenteil Schutz. Bis Mitternacht war es wohl noch fast eine Stunde, und so hatte er Gelegenheit, eine Weile ruhig zu atmen und auf die Schritte über sich zu lauschen, die sogar dann kaum wahrnehmbar waren, wenn sie sich ihm näherten und vollständig verstummten, sobald der Wächter kehrtmachte.
    Den Umhang, der ihn beim Klettern behindert oder sogar gefährdet hätte, mußte er zurücklassen. Sicherheitshalber hatte er sich auch darunter vollständig schwarz gekleidet. Zweimal wartete Yves, bis die Schritte über ihm zurückgekehrt waren, um zu erkennen, wie lange der Wächter brauchte, um die Länge der Mauer abzuschreiten. Denn jedesmal, wenn dieser zurückkehrte, würde er in Bewegungslosigkeit erstarren müssen. Als die Schritte das dritte Mal verhallt waren, tastete er in den knorrigen und in sich gewundenen verholzten Ästen des Rebstocks, die kräftig genug waren, ihn zu tragen, nach einem festen Halt und begann den Anstieg.
    Da das Laub längst abgefallen war, verriet ihn kein Blätterrascheln. Mehrfach mußte er bewegungslos verharren, während der Wächter über ihm kurz stehenblieb, um seinen Blick über das gerodete Gelände schweifen zu lassen, wie wohl auch schon vorher immer wieder, während sich Yves dem Schutz der Ringmauer entgegengearbeitet hatte. Einmal fuhr seine Hand, als er am gerundeten Mauerwerk des Turms nach einem Halt tastete, tief in eine Schießscharte. Dabei erhaschte er einen Blick auf einen Lichtschimmer, der durch eine spaltbreit geöffnete Tür fiel. Sofort fuhr er in den Winkel von Turm und Mauer zurück, weil er fürchtete, man könnte ihn gesehen haben. Aber alles blieb still, und als er vorsichtig durch die Schießscharte spähte, gab es nichts zu sehen außer der Türkante und dem scharfen Lichtstreif. Falls auch vom Wehrgang aus eine unverschlossene Tür in den Turm führte... Unwillkürlich kam ihm der Gedanke, daß die Besatzung im Lauf des Tages wohl schon Steinschleudern und Wurfmaschinen auf Mauer und Türmen bereitgestellt sowie Stein- und Metallkugeln aufgeschichtet, Wurfspieße und Wurfpfeile bereitgelegt hatte...
    Hoffnungsvoll wartete er, daß er den Anstieg fortsetzen konnte.
    Die Türme von La Musarderie überragten die Zinnenbekrönung der Ringmauer kaum, und der bis über die Brustwehr emporgewachsene Rebstock war noch auf dem letzten Stück im Mauerwerk verankert. Bevor Yves es recht merkte, erreichte er die feste Holzkonstruktion und verharrte reglos, um über sie hinweg den Wehrgang entlangzuspähen. Diesmal war er nur drei Schritt von dem Wächter entfernt, als dieser ans Ende seines Kontrollgangs gekommen war und sich erneut umwandte.
    Yves wartete, bis der die Hälfte seines Weges zurückgelegt hatte, bevor er es wagte, nach dem Geländer der Brustwehr zu greifen und sich hinüberzuschwingen.
    Noch einmal mußte er Rückkehr und Fortgang des Wächters abwarten, dann endlich konnte er den Fuß auf den Wehrgang setzen. Er drängte sich am Boden dicht unter eine der Zinnen der Brustwehr, bis die gleichmäßig ausschreitenden Füße an ihm vorüber und wieder zurückgekehrt waren. Dann schob er sich vorsichtig durch die Öffnung auf den festen Steinboden und wandte sich dem Turm zu. Dort hatten die Verteidiger in der Tat Geschosse für die Geschütze aufgetürmt, doch die Tür gab seinem Druck nicht nach; sie war fest verschlossen. Man hatte wohl die Last nicht durch den Turm hinaufgebracht. In der Nähe sah er eine Winde, die dazu gedient haben mochte, alles aus dem Burghof emporzuhieven. Dicht neben ihr führte eine geländerlose Treppe von der Außenmauer hinab. Es gab für Yves nur diesen einen Weg, und er mußte ihn gehen, bevor sich der Wächter am Ende des Wehrgangs erneut umwandte. In verzweifelter Eile stieg er die ersten Stufen hinab, ließ sich dann an den Fingerspitzen über ihren Rand in die Dunkelheit hängen und arbeitete sich auf diese Weise, gefährlich über dem Abgrund schwebend, Stufe für Stufe abwärts.
    Er verharrte regungslos, wenn der Wächter kam, und setzte danach seinen qualvollen Abstieg in die zum Glück

Weitere Kostenlose Bücher