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Bruder Cadfaels Buße

Bruder Cadfaels Buße

Titel: Bruder Cadfaels Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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abgelegene finstere Ecke des Burghofes fort. Aus der fernen Waffenkammer drangen noch Laute und Lichtschein, und schattenhafte Gestalten überquerten geschäftig, aber schweigend den Hof - vom Rittersaal zu den Vorratsräumen, von der Schmiede zur Waffenkammer.
    Diszipliniert und besonnen bereitete sich die Besatzung von La Musarderie auf die Belagerung vor. Noch wußte niemand in der Burg, wie viele Kämpfer man gegen sie aufgeboten hatte. Yves sprang von den letzten Stufen der Treppe herab und verharrte dicht an der Mauer, um sich einen Überblick über die Gegebenheiten zu verschaffen.
    Zwar war es bis zum Bergfried nicht weit, aber er hätte sich verdächtig gemacht, wenn er ihn im Laufschritt hätte erreichen wollen. Also entschloß er sich, ihm rasch und zielstrebig ausschreitend entgegenzustreben, ganz wie all die anderen, die noch spät in der Nacht eifrig hin und her eilten. Da jeder seinen Weg kannte, erhellten den Burghof nur wenige Fackeln. Yves mußte den Anschein erwecken, als sei er in einer wichtigen Aufgabe unterwegs und brauchte lediglich das Gesicht abgewendet zu halten.
    Wäre er nahe genug an jemandem vorübergekommen, hätte er beiläufig etwas gemurmelt und wäre weitergegangen, so in seine Aufgabe vertieft, daß er für nichts anderes Augen hatte - was ja im übrigen durchaus der Wahrheit entsprochen hätte. Doch er erreichte die offenstehende Tür, ohne von jemandem angerufen zu werden und trat ein. Yves stieß einen tiefen Seufzer aus, dankbar, daß er bis dorthin gelangt war.
    Als er sich vorsichtig über die Steinplatten des schmalen Ganges vorantastete, trat plötzlich der Kaplan aus einer Tür und kam mit einem Ölfläschchen in der Hand auf ihn zu.
    Offensichtlich hatte er gerade das Ewige Licht am Altar neu versorgt. Rasch einen anderen Gang aufzusuchen, blieb keine Zeit, außerdem hätte Yves damit nur die Aufmerksamkeit des müden Alten auf sich gelenkt. So preßte er sich achtungsvoll an die Mauer, um dem Priester Platz zu machen und verneigte sich tief vor ihm. Dieser sah ihn aus kurzsichtigen Augen flüchtig an und erteilte ihm mit ruhiger Stimme seinen Segen. Nach dieser Begegnung zitterte Yves heftig und war fast beschämt, nahm aber die Worte des Alten als gutes Vorzeichen. Jetzt wußte er sogar genau, wo die Kapelle lag. Voll Demut und Dankbarkeit trat er vor den Altar und kniete nieder, um für ein Dutzend unverdienter Gnadenerweise zu danken, die ihn bis dorthin hatten gelangen lassen. Er vergaß sogar seine Vorsicht, dachte nicht an die Gefahr, die ihm drohte, wenn er ein Geräusch machte, und überlegte nicht, wie er je wieder in den Hof hinausfinden würde. Er war am Ort seiner Wünsche, und Cadfael würde ihn schon nicht im Stich lassen.
    Die Kapelle war schmal, aber hoch, und man hatte die Strenge des Raumes, von dessen steinernen Wänden es Yves kalt anwehte, mit dicken wollenen Wandteppichen und einem Vorhang an der Innenseite der Tür ein wenig gemildert. Ein düsterer Winkel neben der Tür, wo sich die Falten des Vorhangs und der Wandbehang berührten, bot die Möglichkeit, sich zu verbergen. Nur wenn ein Eintretender die Tür vollständig hinter sich schloß, bestand die Gefahr, entdeckt zu werden. Dorthin stellte sich Yves, legte die Falten zurecht, damit sie ihn verdeckten, und wartete.
    Seit Cadfael in La Musarderie Gastrecht genoß, war er um Mitternacht aufgewacht und aufgestanden, in erster Linie aus alter Gewohnheit. Aber auch aus dem Bedürfnis heraus, zumindest seine Erinnerung an die Berufung und den Ort wachzuhalten, an dem sein Herz hing. Sofern er ihn nicht wiedersehen sollte, war es umso wichtiger, daß diese Verbindung nicht abriß, solange er lebte. Auch bot es ihm Trost, daß er die Gebräuche des mönchischen Lebens allein pflegen konnte. Der Kaplan befolgte getreulich alle Vorschriften, die für Weltpriester galten, hielt aber nicht die Stundengebete der Benediktiner. Nur das eine Mal, da Philip ebenfalls Zwiesprache mit Gott halten wollte, hatte sich Cadfael bei der Matutin die Kapelle mit einem anderen teilen müssen.
    An jenem Abend kam er ein wenig zu früh, da er noch nicht geschlafen hatte. Für die meisten in La Musarderie würde es in jener Nacht ohnehin nur wenig Schlaf geben.
    Er verrichtete seine Andacht und verharrte weiterhin auf den Knien, mehr in trübe Gedanken versunken, als in ein stilles Gebet. Alle Gebete, die er für Olivier verrichten konnte, waren bereits gesagt und gewiß an Gottes Ohr gedrungen. Stumm hatte er sie

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