Bruder Cadfaels Buße
unverzüglich zu übergeben. Solltet Ihr Euch widersetzen, wird sie sie im Sturm nehmen. Entweder Ihr ergebt Euch oder geht mit Eurer Burg unter.«
»Und welches sind die Bedingungen?« fragte Philip knapp. »Nennt sie.«
»Es gibt keine. Sie verlangt bedingungslose Übergabe!
Ihr müßt Euch und alle, die bei Euch sind, ihrem Willen unterwerfen.«
»Nicht einmal einen Hund, der sie einmal angebellt hat, würde ich ihr aus freien Stücken übergeben«, sagte Philip. »Über annehmbare Bedingungen würde ich unter Umständen nachdenken, aber auch in dem Fall darauf bestehen, daß Ihr mir, John, persönlich für ihre Einhaltung haftet.«
»Es gibt keine Verhandlungen«, entgegnete der Marschall kurz angebunden. »Entweder Ihr übergebt die Burg, oder Ihr zahlt den Preis.«
»Teilt der Kaiserin mit, daß sie das teuer zu stehen kommen kann«, antwortete Philip. »So billig kann man uns nicht haben.«
Der Marschall zuckte mit den Schultern und wandte sein Pferd, um den Hang wieder hinabzureiten. »Sagt nicht, daß man Euch nicht gewarnt hat«, rief er über die Schulter zurück und trabte, von seinen Hauptleuten gefolgt, hinter dem Herold auf den Waldrand zu.
Sie mußten nicht lange warten. Der Angriff begann mit einem Pfeilhagel von allen Seiten. Ein guter Bogenschütze konnte die Mauern aus der Deckung heraus erreichen, und wer von den Verteidigern so unvorsichtig war, sich zwischen zwei Zinnen zu zeigen, bot ihnen ein leichtes Ziel. Cadfael hatte sich auf den Südwestturm begeben, der dem Dorf am nächsten lag. Er gewann den Eindruck, daß die Angreifer mit ihren Pfeilen so verschwenderisch umgingen, um zu zeigen, daß ihr Vorrat unerschöpflich war und damit die Besatzung einschüchtern wollten. Die Verteidiger setzten ihre Pfeile sparsamer ein und schössen ausschließlich, wenn jemand seine Deckung verließ. Für sie gab es keine Möglichkeit, ihren Vorrat zu ergänzen.
Die Wurfmaschinen, Wurfspeere und Wurfpfeile wurden für die Abwehr eines massierten Angriffs in Reserve gehalten, denn dann fanden sie ihre Ziele. Bei einem einzelnen Mann aber, wären die Geschosse verschwendet gewesen und das konnten sie sich nicht leisten. Die klobigen Wurfmaschinen, die großen Armbrüsten ähnelten, standen an den Zinnen bereit, vier auf der Südwestseite, wo man am ehesten damit rechnen mußte, daß ein geschlossener Trupp angriff, zwei weitere im Osten und im Westen.
Die Verteidiger verfügten lediglich über zwei Steinschleudern, und es würde sich wohl auch kein Ziel dafür bieten, es sei denn, der Marschall wäre so unklug, einen Massenangriff zu befehlen. Zwar hatte man in der Burg allen Grund, den Einsatz von Belagerungsmaschinen zu fürchten, doch würde dies Verfahren den Belagerern unter Umständen zu kostspielig erscheinen. Gegebenenfalls ließen sich nämlich mit schweren Steinkugeln große Lücken in die Reihen der Angreifer reißen, wenn sie in großer Zahl gegen die Mauern anrannten.
Einstweilen tasteten die Gegner einander erst ab, und so erfolgten die Angriffe während der ersten Stunden eher halbherzig. Aber einer oder zwei der feindlichen Bogenschützen hatten getroffen, wo sich ein unerfahrener und für einen Moment unaufmerksamer Verteidiger kurz zwischen den Zinnen gezeigt hatte. Allerdings waren nur Fleischwunden zu beklagen. Zweifellos hatten auch einige der geübten Schützen von der Ringmauer aus das eine oder andere Ziel am Waldrand gefunden.
Dann prallte unterhalb der Brustwehr der erste geschleuderte Stein an die Lehmmauer und fiel herunter, ohne mehr als einige kleine Stücke herausgeschlagen zu haben. Als nächstes fuhren die Angreifer ihre Belagerungsmaschinen an den Rand der Deckung und begannen, unablässig auf die Burg zu schießen. Ein schwerer Stein nach dem anderen pfiff durch die Luft und schlug tief unten gegen die Mauer des Turmes, an dem Yves Hinweise auf frühere Schäden entdeckt hatte. Cadfael vermutete, daß das den ganzen Tag so weitergehen würde. Bei Nacht hingegen würde der Feind womöglich versuchen, mit einem Sturmbock bis an die Mauer zu gelangen, um eine Bresche hineinzuschlagen. Inzwischen hatten sie einen ihrer Kriegsbaumeister verloren, der sich zu weit vorgewagt hatte. Cadfael konnte beobachten, wie man ihn in die Deckung der Bäume zurückschleppte.
»
Er spähte über das Gelände, hinter dem sich das Dorf Greenhamsted verbarg, um zu sehen, ob sich zwischen den Bäumen etwas bewegte oder ein Hinweis auf die verborgenen Belagerungsmaschinen zu entdecken
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