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Bruder Cadfaels Buße

Bruder Cadfaels Buße

Titel: Bruder Cadfaels Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Cadfael, um Mutmaßungen über den Feind mit ihm auszutauschen. Als er wieder umkehrte, um dem gegenüberliegenden Turm zuzustreben, begleitete Cadfael ihn. Yves lauschte aufmerksam und hörte, wie ihre leisen Stimmen allmählich verklangen. Sobald er den Eindruck hatte, daß sie hinreichend weit entfernt waren, schlich er hastig die Treppe hinauf und drückte sich am Ende des Wehrgangs durch eine Öffnung zwischen den Zinnen. Auf dem Boden der Brustwehr duckte er sich unter einen Mauervorsprung, wo der gewundene dunkle Rebstock in Richtung auf den Burghof herübergewachsen war. Yves wagte erst, sich zu erheben und nach draußen zu klettern, als der Wächter erneut gekommen und gegangen war und Cadfael ihm kaum hörbar zuflüsterte: »Er ist fort. Jetzt gilt es.«
    Yves schwang sich über die Brüstung und begann vorsichtig an den Ästen des Rebstocks hinabzuklettern, dem tief unter ihm liegenden Boden entgegen. Als er kein Zittern und Rascheln mehr vernahm, stieg Cadfael zum Burghof hinab, um nach Philip zu suchen. Danach wollte er versuchen, für den Rest der Nacht noch ein wenig Ruhe zu finden.
    Philip hatte allein die Runde gemacht, um die Vorkehrungen zur Verteidigung zu überwachen, und fand sie so vollständig, wie es nur möglich war. Das erstaunlich frühe Eitreffen des Feindes hatte ihnen nur wenig Zeit gelassen, sich bereit zu machen. Das konnte nur bedeuten, daß der junge Hugonin sein Anliegen mit äußerster Beredsamkeit vorgetragen hatte und die Kaiserin über ungewöhnlich viele Männer und Waffen gebot. Nun, es war nicht so wichtig, um so eher würde die Sache entschieden.
    Cadfael fand Philip auf dem Wehrgang über dem Burgtor. Von dort aus spähte er zum Damm hinab, auf dem am frühen Morgen vermutlich ein Unterhändler mit der Parlamentärflagge herantraben würde.
    »Ihr seid es, Bruder?« fragte er und sah ihn leicht erstaunt an. »Ich hätte gedacht, daß Ihr schon seit Stunden schlaft.«
    »In einer solchen Nacht schläft man erst, wenn alles erledigt ist, was getan werden muß«, sagte Cadfael. »Eins ist noch not, und ich bin gekommen, um es Euch zu berichten. Ich bitte Euch, sehr ernst zu nehmen, was ich zu sagen habe. Die Kaiserin trachtet Euch nach dem Leben. Zwar ist Yves Hugonin mit dieser Streitmacht gekommen, weil er seinen Freund und Schwager befreien will, das aber ist nicht ihr Ziel! Zwar muß sie die Burg einnehmen, um es zu erreichen, aber nicht um diese ist es ihr zu tun: Ihr liegt an einem Mann. Sobald sie Euch hat, will sie Euch hängen lassen.«
    Schweigen trat ein. Unverwandt hielt Philip den Blick nach Osten gerichtet, wo das erste bleiche Grau des Tages am Himmel aufscheinen würde, und sagte schließlich gelassen: »An ihrer Absicht habe ich nie gezweifelt. Sagt mir doch, wenn Ihr so viel wißt, Bruder, ob das auch die meines Vaters ist?«
    »Er befindet sich bei Graf Roger in Hereford«, antwortete Cadfael, »und weiß noch nichts vom Aufbruch des Heeres nach La Musarderie. Sie gibt sich die größte Mühe, daß Euer Vater erst von ihrem Vorgehen erfährt, wenn alles vorüber ist. Dies eine Mal hat sie ohne ihn gehandelt, weil sie eine Gelegenheit sieht, sich ihres Hauptfeindes zu bemächtigen. Sie ist gekommen, um Euch zu vernichten. Da sie so darauf bedacht ist, das vor Eurem Vater geheimzuhalten«, fuhr Cadfael mit gleichmütig klingender Stimme fort, »darf man annehmen, daß sie sich seiner Haltung Euch gegenüber alles andere als sicher ist.«
    Erneut lag Schweigen zwischen ihnen. Dann sagte Philip, ohne den Kopf zu wenden: »Ich kenne sie so gut, daß mich das nicht überrascht. Von ihr erwarte ich kein anderes Los, als sie mir zugedacht hat, wenn ich ihr je in die Hände fallen sollte. Es ist wahr, mit meinem Übertritt ins Lager des Königs habe ich sie ihrer Bedeutung entkleidet.
    Doch ist es weniger wahr oder nur zum Teil, daß ich mich damit gegen sie gestellt hätte. Der Grund dafür war, daß sie nichts bewirken konnte. Stephens Bedeutung hat hier im Lande, wenn auch nicht in der Normandie, zugenommen und wächst weiterhin an. Sofern er den Sieg erringen und damit dem Chaos und dem sinnlosen Gemetzel ein Ende bereiten kann - wozu sie sich als unfähig erwiesen hat -, wäre es nur recht, wenn so viele Männer zu ihm überliefen, wie dazu nötig sind. Alles, was bewirkt, daß die Menschen in Frieden leben und vor Übergriffen sicher ihre Äcker bestellen, über die Straßen ziehen und Handel treiben können, ist wichtiger als jegliches Recht und jeder Sieg

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