Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bruderdienst: Roman (German Edition)

Bruderdienst: Roman (German Edition)

Titel: Bruderdienst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
tiefste Finsternis, der Staat hat keinen Strom. Das dürfte so alles in allem das sein, was du zunächst einmal wissen solltest.«
    »Was kannst du mir über das Transportwesen sagen?«
    »Hoffnungslos veraltet. Eigentlich gibt es so etwas wie ein Transportwesen gar nicht. Die Eisenbahn ist in einem desolaten Zustand. Von Zeit zu Zeit fahren Lkw, die hinten auf der Ladefläche so viele Menschen mitnehmen wie möglich. Nordkorea ist das Land der leeren Straßen, ein durchfahrender Mercedes ist schon eine Sensation. Den meisten Verkehr erzeugen die Fußgänger. Um an Nahrungsmittel zu kommen, legen die Nordkoreaner unglaubliche Strecken zu Fuß zurück. Wir haben Berichte von Flüchtlingen darüber, wie die Menschen während der Hungerperioden dort Gras und Stroh gegessen und sich Suppen aus Baumrinde gekocht haben, ganz zu schweigen vom Verzehr von Ratten, Maulwürfen, Igeln und ähnlichem Getier. Und ganz zu schweigen davon, dass immer wieder über Kannibalismus gesprochen wird. Nordkoreanische Kinder sind so mager und kleinwüchsig, dass sie um drei bis vier Jahre hinter ihren gleichaltrigen Genossen in normalen Gesellschaften zurückbleiben.«
    »Wenn du eine Atombombe aus dem Land bringen wolltest, wie würdest du das anstellen?«
    »Weißt du, wie so ein Ding aussieht?«, fragte Esser zurück.
    »Bislang weiß ich nur so viel, dass eine Bombe etwa so groß wie ein Fußball ist, aber dafür unglaublich schwer. Sie hat, richtig verpackt, eine kaum wahrnehmbare Strahlung, ist also de facto ungefährlich. Das heißt, das Ding fällt kaum auf und hat möglicherweise nicht mehr Volumen als eine gut gefüllte Aktentasche.«
    »Wenn diese Bombe wirklich so handlich ist, hast du ein Riesenproblem, mein Lieber. Es ist ja anzunehmen, dass der Käufer ein reicher Mensch ist oder eine reiche Institution – nehmen wir einen Staat -, dann verfügt er über ein Flugzeug. Das Flugzeug kann in diesem obskuren Staat landen, die Bombe wird unter den Sitz des Kopiloten geschoben, und los geht die Reise.« Er starrte aus dem Fenster.
    »Mit Sicherheit könnte der nordkoreanische Staat die Landung eines solchen Flugzeuges geheim halten. Bekanntlich haben wir selbst ein Flugzeug mit wechselnden Kennungen um den ganzen Erdball geschickt, ohne dass ein einziger Mensch es gemerkt hat. Ich habe auch noch nicht genügend nachgedacht, es ist alles noch sehr frisch. Ich kann jede Hilfe brauchen. Melde dich, wenn dein Hirn die möglichen Wege für eine Atombombe ausgespuckt hat. Außerdem denke ich, wir müssen noch mehr über ihre Verpackung wissen.«
    »Ich werde mich mühen«, versprach Esser. Er stand auf und reichte Krause über den Schreibtisch hinweg die Hand. »Und grüß mir deine liebe Frau ganz herzlich.«
    »Ja, ja danke«, murmelte Krause verwirrt und sah Esser nach, wie er die Tür ganz sanft hinter sich schloss, als habe er gestört.
     
    Krause informierte sein Vorzimmer, dass er etwas Privates zu erledigen habe und für zwei Stunden außer Haus sei – aber ständig erreichbar. »Wenn ich wieder zurück bin, werde ich voraussichtlich noch ein paar Stunden arbeiten. Und wir sollten ab morgen früh sieben Uhr Ortszeit Berlin unsere wichtigsten Leute in Südostasien an der Strippe haben. Keine Konferenzschaltung, sondern schön nacheinander. Und bestellen Sie mir bitte ein Taxi.«
    Irgendwann hatten seine Frau und er die stillschweigende Vereinbarung getroffen, dass seine Arbeitszeiten nicht zur Diskussion standen, und im Lauf der Jahre hatte sich Wally daran gewöhnt, dass er phasenweise erst gegen Morgen zu Hause erschien und zuweilen für viele Tage und Nächte überhaupt nicht. Er erinnerte sich an ein denkwürdiges Wiedersehen nach drei Wochen totaler Funkstille, als er morgens gegen sechs Uhr vollkommen erschöpft vor der Tür stand und seine Frau kopfschüttelnd bemerkte: »Woher hast du denn diesen scheußlichen Anzug?« Er hatte verärgert geantwortet: »Aber ich war doch in Washington und Tokio!«, und sie hatte schnippisch erwidert: »Sieh mal an, was du nicht sagst!« Es hatte dreißig wortlose Sekunden gedauert, bis sie beide in lautes Gelächter ausgebrochen war. Er hatte die nächsten drei Tage und Nächte fast nur geschlafen, und sie war auf Zehenspitzen durch die Wohnung geschlichen und hatte wütend vor sich hin geflüstert: »Dieser Scheißgeheimdienst macht mir noch meinen Mann kaputt!«
     
    Krause ging durch den Park zum Haupteingang, stieg in das wartende Taxi und nannte dem Fahrer die Adresse des

Weitere Kostenlose Bücher