Bruderdienst: Roman (German Edition)
und ließ es zu, dass sie eine Hand nahm und ihren Kopf hineinbettete.
»Hast du viel Arbeit?«
»Ja, leider. Und keine Besserung in Sicht. Hast du es gut hier? Kümmern sie sich?«
»Alles in Ordnung«, sagte sie leise und hielt die Augen geschlossen.
Sie schwiegen eine Weile miteinander, und Krause fragte sich, ob er ihr von der Brustamputation erzählen sollte. Aber die Ärzte würden besser erklären können, warum das nötig war.
»Was macht dir denn Arbeit?«, fragte sie schließlich.
»Nordkorea«, gab er Auskunft.
»So weit weg«, seufzte sie. »Ist es eine schwierige Sache?«
»Kann man sagen. Ich soll dich herzlich von Esser grüßen.«
»Mein Gott«, flüsterte sie nach einer Weile. »Wir gehen ganz schlecht mit alten Freunden um, wir sollten uns mehr kümmern. Meinst du, wir sollten die Essers einladen, wenn ich wieder daheim bin?«
»Das machen wir«, stimmte er zu. »Erinnerst du dich an diese Sommerfete im Garten? Ich habe mit Esser eine ganze Flasche Birnengeist getrunken, und dann haben wir uns zusammen in den Goldfischteich gesetzt und ›Die Wirtin von der Lahn‹ gesungen. Alle dreiundzwanzig Strophen, und Esser war danach drei Tage lang todkrank. Wie lange ist das her?«
»Zwölf Jahre. Nein, dreizehn. Damals haben sie ihren Jungen verloren. Er ist mit seinem Motorrad verunglückt, weißt du noch?«
»Ja, scheußliche Sache. Wir müssen sie einladen.«
»Ich hatte damals noch ganz lange Haare, und du hast sie ständig in den Mund gekriegt. Es war so komisch, und du hast furchtbar husten müssen. Musst du dorthin, nach Nordkorea?«
»Ich hoffe nicht. Gibt es hier ein Blumengeschäft?«
»Gibt es. Unten in der Halle.«
Er stand auf und ging zum Fenster. »Ich habe dich immer vernachlässigt.«
»Das hast du nicht.«
»Doch, doch, doch. Meine Arbeit ist brutal. Sehr brutal sogar.« Er setzte sich in den Sessel, der für Besucher dortstand. »Würdest du lieber in einem Zweibettzimmer liegen, damit du ein bisschen Gesellschaft hast?«
»Nein, ich glaube nicht.«
Dann sah sie, wie ihm der Kopf langsam auf die Brust sank und er einschlief.
Er wurde ungefähr eine Stunde später von seinem Handy geweckt, und sie beobachtete fasziniert, wie er von einer Sekunde zur anderen hellwach war.
»Ja, bitte?«
»Es tut mir leid, dass ich stören muss«, entschuldigte sich seine Sekretärin, »aber es ist so, dass Goldhändchen etwas hat. Ich soll ausrichten, er braucht eine Audienz, sofort.«
»Danke«, sagte er. »In einer halben Stunde. Und geh heim, du bist schon zehn Stunden da.« Er stand auf, ging zu seiner Frau, küsste sie und hielt einen Augenblick lang ihr Gesicht zwischen beiden Händen. »Ich habe so viel Glück mit dir«, sagte er. »Ich komme wieder.«
Es hatte zu regnen begonnen, und die Straßen schienen zu dampfen, die Sonne stand irgendwo hinter den Häusern und färbte die Welt golden. »Wir werden diese Truppe AB nennen, wie Atombombe«, dachte er. »Und jede Menge Leute werden sich den Kopf darüber zerbrechen, was, zum Teufel, dieses AB wohl zu bedeuten hat. Und es wird wie immer allerhand Gerede geben.«
Goldhändchen saß schon vor seinem Schreibtisch und beschäftigte sich mit dem Säubern seiner Fingernägel. Seine Haltung hatte etwas Vorwurfsvolles.
»Es ist so, dass ich Spuren gefunden habe, Chef.«
»Dann her mit den Spuren«, sagte Krause und setzte sich.
»Ich habe mit ein paar Leuten in Macau geredet. Bankleute. Nordkorea hat da ein paar Konten, auf denen sich bisher kaum etwas getan hat. Vor einer Woche haben diese Konten plötzlich Besuch bekommen. So an die vierzig Millionen Euro, somit wären wir jetzt bei vierhundertsechzig Millionen.«
»Was sind das für Banker?«
»Internationale, Sir, sehr internationale.«
»Hinweise darauf, woher die Gelder stammen?«
»Noch keine, aber ich denke, das wird sich klären lassen. Dazu kommt: Auf der Golden Star Bank in Wien sind plötzlich auch einhundertzwanzig Millionen. Damit wären wir bei fünfhundertachtzig.«
»Immer glatte Summen?«
»Scheint so, Sir. Stimmt, ist komisch. Jedenfalls einer dieser Bekannten in Macau hat mir folgende, haarsträubende Geschichte erzählt: Er behauptet, es sei Spielgeld. Also, es ist so, dass an den Spieltischen in Macau immer wieder Spieler aus Nordkorea auftauchen. Die machen beim Spielen aus ihren Drogen- und Waffengeldern ehrliches Geld. Siebzehn und vier, Poker, Roulette. Man hat sie auch schon erwischt, wie sie gefälschte US-Dollar einsetzten. Dann hat man
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