Bruderdienst: Roman (German Edition)
Kaiser hundert Jahre lang heftigst um die Toskana stritten. Da ging es zeitweise ziemlich blutig zu. Dabei kann ich mir Blut in dieser herrlichen Landschaft eigentlich gar nicht vorstellen.«
»Siehst du«, sagte sie, als habe sie einen Streit gewonnen, »und ich stelle mir jetzt vor, wir nehmen ein Auto und tuckern ganz gemütlich da hinunter.«
»Ich will eigentlich kein Auto mehr fahren«, erklärte er.
»Aber ich kann doch den Führerschein machen«, sagte sie in einem beinahe kindlichen Tonfall.
Sie plant ein Leben, dachte er verwirrt. Sie plant ein neues Leben. Mit mir.
»Oh ja, du solltest unbedingt den Führerschein machen«, bekräftigte er. Ihr Haus hatte eine geräumige Garage mit einem uralten Opel-Kapitän darin, der nur wenige Tausend Kilometer bewegt worden war. »Ein Nachbar hat mir neulich gesagt, dass unser Auto mittlerweile eine Menge wert ist. Und wie lange willst du in der Toskana bleiben?«
»Na, so lange wir wollen«, entgegnete sie, als sei das völlig selbstverständlich.
Ein junger Mann, der einen riesigen in durchsichtige Folie gehüllten Blumenstrauß trug, kam durch den dämmrigen Korridor auf sie zugesegelt. Er fragte keuchend: »Frau Krause?«
»Ja, bitte?«
»Der Strauß hier ist für Sie!«, erklärte er erleichtert.
Krause kramte nach seiner Geldbörse, fand sie aber nicht und fragte: »Hast du Kleingeld?«
»Nein«, antworteten seine Frau und der Junge unisono.
»Moment mal«, sagte er verwirrt. Dann holte er seine Brieftasche hervor, fummelte eine Weile darin herum, förderte dann endlich einen Zehneuroschein zutage und reichte ihn dem Jungen. »Wir danken sehr«, erklärte er förmlich.
Dann eilten sie zurück zu ihrem Zimmer, Waltraud voran, er mit dem Strauß in ihrem Kielwasser.
»Lass mal sehen!«, forderte sie.
Sie ging recht ruppig mit der Folie um und angelte eine Karte aus der üppigen Blütenpracht. Sie öffnete das Kuvert und sagte erstaunt: »Von einer Svenja, ich denke, das ist deine Svenja.«
»Ja«, nickte er. »Das kann sein, das finde ich … ähem … ganz reizend.«
Sie stand am Fenster und strahlte ihn an. »Niemand, mein Lieber, der dir ganz unbefangen begegnet, käme auf die Idee, dass du ein Spion bist.«
»Das mag wohl sein«, sagte er, ein wenig verwirrt. »Aber vergiss nicht, dass mein Arbeitsthema sehr alt ist. Verrat.«
Sie setzte sich in den Sessel. »Also, wenn ich mich recht erinnere, waren wir gerade dabei, die Toskana wieder zu verlassen. Wir könnten in Richtung Rom fahren.«
»Ja, das könnten wir.«
»Und ich will unbedingt Venedig sehen. Bevor es untergeht. Ich habe da Alarmierendes gelesen.«
»Ja, mein Spatz.« Das hatte er seit vielen, vielen Jahren nicht mehr zu ihr gesagt.
»Oder können wir uns so etwas nicht erlauben?«
»Wie meinst du das?«, fragte er.
»Na ja, geldmäßig, meine ich.«
»Aber Wally! Wir haben doch keine Geldsorgen, und es wäre gut, wenn du dich endlich einmal damit beschäftigen würdest. Ich sage das seit mindestens dreißig Jahren, aber du stellst dich an dieser Stelle immer taub.«
»Ja, ich weiß«, antwortete sie seufzend. »Da bin ich hoffnungslos altmodisch. Bei mir zahlt immer noch ausschließlich der Herr.«
»Ach, was mache ich nur mit dir?«, fragte er.
Als Krause in den Dienst zurückkam, bat er das Sekretariat, seiner Frau Blumen zu schicken. »Am besten so kleine Sträußchen, man nennt sie Biedermeier. Und gleich sechs Stück, ganz bunt, sie braucht das jetzt.«
»Welches Krankenhaus ist es denn überhaupt?«, fragte seine Sekretärin mit vorwurfsvollem Unterton.
Er nannte die Adresse. »Und dann hol mir Moshe aus Tel Aviv ans Rohr.«
Krause säuselte vor Vergnügen, als Moshe sich meldete: »Mein Freund, wir sollten zusammen überlegen, was wir haben und was wir tun können. Sämtliche Medien bei uns spielen verrückt, das Bild wird immer trüber. Man kann vor lauter Fantastereien nicht mehr klar sehen. Also, wer kommt zu wem?«
»Ich zu dir«, antwortete Moshe muffig. »Meine Regierung spielt so konzentriert verrückt, dass ich ständig den Eindruck habe, in einer Versammlung von schwer Demenzkranken zu sitzen. Ich muss hier raus, sonst werde ich gemütskrank. Wie geht es bei dir?«
»Nicht so gut. Waltraud hat Krebs, die Ärzte wollen ihr eine Brust abnehmen.« Er wunderte sich, dass er in der Lage war, das zu erwähnen.
Moshe schwieg eine Weile, dann stieß er zum Kern der Dinge vor. »Ist es lebensbedrohlich?«
»Ich hoffe nicht.«
»Wann ist die
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